Die Hure Babylon
Gras niedergelegt. Man mühte sich, sie zu verbinden, doch so manch einer verblutete in den Armen seiner Kameraden.
Noch immer halb betäubt sah Arnaut, wie Constansa den jungen Esteban stützte, dem das Blut aus einer Schenkelwunde in den Stiefel lief. Sein hübsches Gesicht war schmerzverzerrt, aber er würde überleben, wie es aussah.
Arnaut sammelte seine Leute um sich und stellte fest, dass sie sechs Tote zu beklagen hatten. Sechs Männer, mit denen sie alles geteilt hatten, herausgerissen aus ihrer Mitte. Dazu ein gutes Dutzend Verwundeter, einige schwer. Severin hatte ein stumpfer Schlag ins Gesicht die Nase gebrochen. Arnaut selbst blutete aus einer Schnittwunde an der Wange, und Jori klagte über gebrochene Rippen. Außerdem hatte er seine Stute verloren.
Pferden, die nicht zu retten waren, wurde der Gnadentod gegeben. Überhaupt waren viele Gäule dem Kampf zum Opfer gefallen, so dass so mancher
cavalier
ab morgen zu Fuß gehen würde. Auch Amir hatte einen Pfeil in der Schulter. Zum Glück nur eine Fleischwunde, die rasch heilen würde, wenn sie sich nicht entzündete. Arnaut war froh, dass sein geliebter Hengst noch nicht im Kochtopf enden würde.
Er suchte Bertran. Der stand mitten im Gewühl von stöhnenden Verwundeten und anderen, die sie verbanden oder erschöpft im Gras lagen. Bestürzt über das Ausmaß des Gemetzels unter seinen Tolosanern, sah er sich um. Heute würden sie viele Kameraden zu bestatten haben. Dann blickte er an sich selbst herab.
»Als hätten wir in Blut gebadet«, murmelte er ungläubig. »Und doch leben wir noch …«
Joan de Berzi bahnte sich seinen Weg zu ihnen. Auch er ähnelte einem Schlachter mit seiner besudelten Rüstung. Und er war in Rage.
»Noch so ein Alleingang, Montalban, und du baumelst an der nächsten Eiche«, schnauzte er ihn an und riss sich wütend die Kettenhaube vom Kopf.
Arnaut senkte den Blick. Das Gewissen über die vielen Toten plagte ihn. Hatte er sich von Unbesonnenheit übermannen lassen? Sträflichen Leichtsinn hätte seine Mutter es genannt. Wenn die Vorhut nicht zur rechten Zeit aufgetaucht wäre …
»Es war das einzig Richtige«, erwiderte Bertran. Seine Stimme hatte sich wieder gefestigt. »Sonst wäre die Sache noch ganz anders verlaufen.«
»Meint denn jeder in diesem verfluchten Heer, er könne machen, was er will?«, wetterte Joan.
»Du vergisst, dass ich es war, der den Angriff befohlen hat«, sagte Bertran und funkelte seinen Reiterhauptmann an. Natürlich wussten beide, dass das nicht stimmte.
»Wenn du das so sehen willst, meinetwegen«, sagte Joan angewidert. »Aber in dieser
militia
herrscht keine Ordnung. Jeder meint, er sei sein eigener Feldherr, und der König setzt sich nicht durch. So kann man keinen Krieg führen.«
Bertran lag eine hitzige Antwort auf der Zunge, aber Arnaut fasste ihn beim Arm. »Stimmt schon, was er sagt. Es kann nicht jeder nach seinem Gutdünken handeln.«
»Ich fasse es nicht!«, rief Bertran. »Wir haben uns gerade einen Sieg erkämpft, und ihr beklagt euch?«
Tatsächlich waren die Seldschuken verschwunden. Hinterlassen hatten sie eine Unmenge an Toten, Verwundeten und Gefangenen. Den Christen waren Zelte, Verpflegung und reichlich Beute in die Hände gefallen.
»Einen Sieg, ja«, erwiderte Arnaut. »Aber vernichtet haben wir sie nicht. Außerdem …« Er ließ den Kopf hängen. »Zu viele haben ihr Leben gelassen. Und das ist meine Schuld.«
Doch Bertran ließ sich seine Genugtuung über den Sieg nicht nehmen. »Na, wenn schon«, sagte er. »Jeder wusste, auf was er sich einlässt, als wir losmarschiert sind.«
»Unsinn«, knurrte Joan. »Wir haben gewonnen, aber es hat uns viel gekostet. Uns Tolosanern am meisten.«
Plötzlich war die Königin mitten unter ihnen.
Die am nächsten Stehenden sanken aufs Knie. Sie saß aufrecht im Sattel und musterte die Männer mit ruhigem Blick. Die blutverschmierten Rüstungen und Gesichter schienen sie nicht zu schrecken.
»Wer war der
cavalier,
der vorhin allein und allen voran gegen die Türken geritten ist?«, fragte sie.
Alle Blicke richteten sich auf Arnaut, und eine Gasse öffnete sich vor ihm. Mit flauem Gefühl im Magen trat er vor und beugte sein Knie.
»Ich war das,
Vostra Majestaz.
«
»Wie ist Euer Name?«
»Arnaut de Montalban,
Domina.
«
Sie wiederholte den Namen, als wollte sie ihn sich merken. Dann studierte sie aufmerksam sein Gesicht.
»Ich habe alles beobachtet und denke mir, Ihr habt ohne Befehl gehandelt, und die
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