Die Hure Babylon
nur weil sie Heiden waren?«
»Ach, man findet immer eine Rechtfertigung. Den Heiden sagt man so viel Schlechtes nach, dass sie ja eigentlich keine Menschen sein können. Und wenn sie keine Menschen sind, darf man sie wie räudige Hunde töten. Ich wette, die Bischöfe sind diesem Reynaud dankbar. Was für ein gottgefälliges Werk er doch getan hat.«
»Ich wusste nicht, dass du so bitter bist«, sagte Arnaut.
»Ich liebe meinen Gott genau wie ihr«, erwiderte Aimar. »Aber es gibt Dinge in dieser Kirche, die niemand gutheißen kann.«
»Und warum sind wir dann hier?«, fragte Constansa.
Aimar zuckte mit den Schultern. »Weil es der Papst in seiner Weisheit so wünscht.«
»Was ist denn das für eine Antwort?«, fragte Severin. »Wir wollten es doch alle.«
»Das ist wahr. Weil ihr euch habt verführen lassen.«
»Von wem? Was redest du da?«
»Man hat euch geschmeichelt und vom Himmelreich geschwärmt, in das ihr alle kommen werdet. Und von den Muslimen haben sie euch nur das Schlimmste erzählt. Ich aber habe sie in Toledo kennengelernt. Glaubt mir. Es sind Lügen, die man euch aufgetischt hat.«
Severin starrte ihn an. Was Aimar da sagte, machte ihn wütend. Der Mönch musste sich irren. Aber ihm fehlte dessen Bücherwissen, um sich mit ihm zu streiten.
»Dummes Zeug«, brummte er. »Ich hab genug davon. Ich geh jetzt schlafen.«
Natürlich wollte es keiner zugeben, aber es war das erste Mal, dass ihr fester Glaube an die Richtigkeit dieser Pilgerfahrt ins Wanken geraten war. Constansa blieb noch sitzen und starrte in die Glut. Auch Severin war geblieben.
»Ich dachte, du wolltest schlafen«, sagte sie.
»Ich muss mit dir reden«, meinte er unbeholfen. »Ich sterbe jedes Mal vor Angst, wenn ich dich in die Schlacht reiten sehe. Es bringt mich um, Constansa.«
»Ich weiß«, sagte sie leise.
»Du weißt es?« Etwas wie Hoffnung kam in seinen Blick.
Sie legte ihre Hand auf die seine. »Armer Severin. So verletzt.«
»Wie meinst du das?«
Sie lächelte. »Na, zumindest deine Nase ist immer noch geschwollen.« Sie lehnte sich zu ihm hinüber und küsste ihn auf die Wange. Dann erhob sie sich. »Komm, troll dich endlich in dein Zelt. Es ist spät.«
Auch er stand mit einem Stöhnen auf. »Du spielst mit mir. Aber ich sage dir, Weib. Eines Tages …«
»Eines Tages werde ich als alte Jungfer sterben, meinst du das?« Sie grinste ihn an. »Ist es das, was du mir sagen wolltest?«
Er griff nach ihr, aber sie war schneller und entwischte ihm in Richtung ihres Zeltes. Severin hörte sie noch lachen. Er seufzte und begab sich würdevollen Schrittes zu den Latrinen. »Eines Tages«, murmelte er.
Bevor auch Arnaut sich zurückzog, war er noch mal zu Elenas Zelt gegangen.
»Wie geht es Josselins Sklavin?«, fragte er
»Rund wie eine reife Frucht«, erwiderte Elena. »Aber noch tut sich nichts.«
»Du kümmerst dich weiterhin um sie?«
»Jeden Tag.«
Arnaut hätte nicht sagen können, warum ihn ausgerechnet das Schicksal dieser Sarazenin beschäftigte. Hatten sie nicht genug Sorgen am Hals?
»Wie heißt sie eigentlich«, wollte er wissen.
»Munira.«
»Redet sie mit dir?«
»Ja. Sie kommt aus einem Ort, der sich Schaizar oder so ähnlich nennt. Ist bei einem Karawanenüberfall geraubt worden. Kaufmannstochter. Nicht von edlem Blut, deshalb hat ihr Herr sich nicht bemüht, sie auszulösen. Sie kann ihn übrigens nicht ausstehen.«
»Warum?«
»Er hasst Muslime. Und er schlägt sie, wenn sie nicht alles zu seiner Zufriedenheit erledigt.«
»In ihrem Zustand?«
»Das ist dem Schwein egal.«
»Hätte ich nicht von ihm gedacht. Er ist doch ein höflicher Mann.«
Aber dann erinnerte er sich, wie Josselin Ermengarda beleidigt hatte und mit welch wilder Rücksichtslosigkeit er damals in Narbona ihren Zweikampf ausgefochten hatte.
»Du weißt nicht, was wir Frauen manchmal zu erdulden haben, Arnaut.«
»Sammelst du deshalb jedes gefallene Weib auf, das dir über den Weg läuft?«, fragte er spöttisch.
Elena war rot geworden, obwohl man es in der Dunkelheit nicht sehen konnte. »Du meinst Belinda?«
»Heißt sie so?«
»Ich hoffe, die Mädchen stören dich nicht. Unser Lager ist sauber, wie du sicher bemerkt hast. Sie waschen, kochen und kümmern sich um deine Männer.«
»Wie sie sich um die Männer kümmern, habe ich schon mitbekommen«, erwiderte Arnaut trocken. »Zahlen sie dir eigentlich einen Anteil? Dafür, dass du sie beschützen lässt?«
Es war ihm also nicht verborgen geblieben,
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