Die Hure Babylon
dachte sie.
»Ein wenig«, erwiderte sie verlegen. »Wir alle müssen schließlich sehen, wie wir zurechtkommen.«
Arnaut schüttelte den Kopf. »Nun bin ich also Hurenmeister geworden.«
Jetzt funkelte es zornig in ihren Augen. »Und was ist schon dabei? Sollen die beiden etwa verhungern? Die Kerle sehnen sich nach ein bisschen Liebe. Ist das so schwer zu begreifen?«
»Das nennst du Liebe?«
Ihre Augen hatten einen feuchten Schimmer bekommen. »Ja, Liebe. Oder sind wir schon so verroht, dass wir nichts mehr empfinden, Arnaut?«
Er sah zur Seite. Gegen den schwachen Schein der sterbenden Lagerfeuer im Hintergrund konnte sie sein Profil ausmachen.
Wortlos trat sie dicht an ihn heran, nahm seine Hand und legte sie sanft auf ihre Brust. Arnaut war überrascht. Und doch schlangen sich seine Arme wie von selbst um sie. Ihr Haar roch nach dem Feuer, ihr weicher Leib, der sich an ihn schmiegte, erregte ihn plötzlich mit ungeahnter Heftigkeit. Sie hob ihr Kinn und suchte seine Lippen. Aber dann erinnerte er sich anderer Umarmungen und machte sich behutsam von ihr los.
»Ich suche keine Liebe, Elena.«
»Was suchst du dann?«
»Nichts«, murmelte er verlegen. Er wünschte ihr noch eine gute Nacht und war gleich darauf in der Dunkelheit verschwunden.
♦
Endlich, am 3 . Januar, öffneten sich die Berge zu beiden Seiten des Flusses, und sie gelangten in ein weites, von schneebedeckten Höhenzügen umsäumtes Tal, an dessen fernem Ende sich die Kirchtürme von Laodikeia erkennen ließen.
In dieser nicht unbedeutenden byzantinischen Stadt erhofften sie sich Kunde von Bischof Otto von Freising und seinen schutzbefohlenen Pilgern. Aber vor allem hatten sie vor, die so verzweifelt benötigten Vorräte für die nächste große Wegstrecke durch das Hochland des Taurus zu sammeln.
Dem König und seinen Heerführern war inzwischen klargeworden, dass sie die Versorgungsschwierigkeiten auf diesem langen Weg weit unterschätzt hatten. Im Inneren Anatolias bedeutete die Macht des Kaisers wenig, und sich im tiefen Winter vom Lande selbst zu ernähren hatte sich als schwierig erwiesen. Nach Kampf, langen Märschen und schlechter Verpflegung waren viele geschwächt. Alle Hoffnungen lagen deshalb auf der reichen Gegend um Laodikeia. Mit Glück würde sich dort der ausgedünnte Bestand an Pferden und Lasttieren ersetzen lassen.
Auch einige von Arnauts Leuten waren jetzt zu Fuß unterwegs. Arnaut selbst ritt seinen Wallach, um den verwundeten Amir zu schonen, und hatte Jori den jungen Hengst gegeben, den sie als Ersatz aus Rocafort mitgenommen hatten. Joris Schulter schmerzte noch, aber die Wunde heilte gut.
Sie verließen den Mäander und folgten jetzt einem Zufluss, der sich durch das Tal schlängelte und irgendwo südlich der Stadt im Gebirge entsprang. Auf den fruchtbaren Auen reihten sich Ackerflächen, Viehweiden und Gärten aneinander. Auf der nördlichen Hangseite des Tals gab es Weinberge. Doch zu ihrer großen Enttäuschung waren Scheunen und Schober leer, die Behausungen verlassen und im ganzen Tal weder Mensch noch Tier zu sehen.
Im Gegensatz zu den Siedlungen am unteren Lauf des Mäander gab es keine Anzeichen von Gewalt oder Plünderung. Hier hatten die Türken also nicht gehaust. Aus unerfindlichen Gründen mussten die Bewohner freiwillig ihr Land verlassen und alles Tragbare mitgenommen haben.
Nachdem die
militia
einen Lagerplatz nicht weit von der Stadt gefunden hatte, ritt König Louis mit großem Gefolge vor die Tore. Zu seinem Ärger fand er diese verschlossen vor. Bewaffnete standen auf den Zinnen und ließen sich nicht bewegen, die Franken einzulassen.
Erst als die Sonne schon im Begriff war, hinter den Bergen zu versinken, erschien ein mürrischer Statthalter mit einer schwerbewaffneten Leibwache im fränkischen Lager und ließ sich vor den König und seine Berater führen. Demetrios Anargyros war sein Name, ein alternder, fetter Beamter des Byzantinischen Reiches, der seine Glatze unter einer schlechtsitzenden, blonden Perücke versteckte. Weder der König noch die versammelten Anführer des Heeres schienen ihn sonderlich zu beeindrucken.
Ja, die Alemannen unter Bischof Otto seien hier wohlbehalten durchgezogen, sagte er auf Anfrage des jungen Friedrich von Schwaben. In Richtung Attalia. Man habe sie mit allem Notwendigen versorgt. Doch als der König das Gleiche für sich und sein Heer verlangte, zuckte der Mann bedauernd mit den Schultern.
»Ich muss Euch leider enttäuschen«, ließ er
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