Die Hure: Roman (German Edition)
darf doch nicht wahr sein, zum Teufel!«
Da steht der Bubi, den er schon einmal umgenietet hat, genau so nackt wie damals. Neben ihm seine Geliebte, deren Gesicht er wieder nicht richtig ansieht.
»Verdammte verfluchte Scheiße!«
Ares ist aufbrausend, beherrscht sich aber so weit, dass er nicht Adonis, sondern die gläserne Reklamewand der Straßenbahnhaltestelle in Stücke schlägt. Die alten Damen, die auf die Bahn warten, funkeln ihn böse an. Eine von ihnen bezeichnet ihn als »verdammten Vandalen«. Eine andere sagt leise zischelnd auf Schwedisch, wenn jeder wegen einer Kleinigkeit derart ausrasten würde, wäre von der Gesellschaft bald nichts mehr übrig. Eine dritte knallt Ares den Regenschirm gegen die Knie. Dann kommt die Straßenbahn, und die Damen steigen ein, schubsen dabei die Aussteigenden rücksichtslos zur Seite und unterhalten sich erregt über die Verrohung der Gesellschaft und darüber, dass früher alles besser war.
Aphrodite zuckt träge mit den Schultern, während sie ihren Exliebhaber betrachtet. Zu Adonis sagt sie, Ares werde sich bald beruhigen.
Ares wird immer fuchsiger, er tritt das Schaufenster eines Ladens ein und knallt die Faust gegen eine Hauswand. Danach fühlt er sich bereits deutlich ruhiger, und rationales Denken scheint nicht mehr völlig unmöglich. Er setzt sich im Schneidersitz auf die Erde, verschränkt die Arme vor der Brust und stiert finster vor sich hin.
Aphrodite geht langsam zu ihm und stützt eine Hand in die Hüfte. »Jetzt sind wir quitt«, erklärt sie.
Ares weiß, dass sie irgendwie recht hat. Durch seine Tat hat er sein barbarisches Verbrechen aus Leidenschaft gesühnt. »Scheiße«, antwortet er.
»Wenn du willst, kannst du mit uns kommen.«
»Aha.«
»Mmm.«
»Okay.«
»Gut. Ach ja, und … Danke.«
»Nichts zu danken.«
Aphrodite reicht Ares die Hand.
Unterdessen in Karmillas Boudoir.
FREIER: Hier.
MILLA: Ach, du hast es in einen Umschlag gesteckt.
FREIER: Ja.
Milla nimmt das Geld aus dem Umschlag und zählt es.
MILLA: Eins, zwei, drei. Da fehlt einer.
FREIER: Mjaa.
MILLA: Ich hätte gern die ganze Summe.
FREIER: Na, ehrlich gesagt, das ist meiner Meinung nach ein angemessenes Honorar.
MILLA: Hör mal, du kannst nicht bei Stockmann in die Delikatessabteilung gehen und fragen, ob du die Fünf-Euro-Aprikosenmarmelade für 1,99 kriegen kannst, weil du das angemessener findest. Wenn du billige Marmelade willst, geh zu Lidl. Kapiert?
Der Mann antwortet nicht. Er verzieht das Gesicht und putzt seine Brille.
MILLA: Na?
FREIER: Okay.
Der Mann ist mit seiner Brille fertig, setzt sie auf und holt das fehlende Geld aus der Tasche seiner über der Stuhllehne hängenden Hose.
FREIER: Ich finde das allerdings ziemlich teuer.
MILLA: Bisher war es dir nicht zu viel.
FREIER: Aber man muss die Umstände berücksichtigen, die Konjunktur und den Index.
Milla hätte nicht übel Lust, ihn anzuschnauzen, laber nicht rum, aber in einem kundenorientierten Beruf ist das in der Regel keine gute Verhaltensweise. Es ist jedenfalls ärgerlich, dass neuerdings alle feilschen.
Sie ist mitten in der Kundenbegegnung, als Milla hört, dass die Tür zu ihrer Wohnung geöffnet wird. Sie springt von dem Mann herunter und eilt in den Flur.
»Iiii!«, ruft sie, als sie Aphrodite erblickt.
»Iiii!«, ruft Aphrodite.
Sie laufen mit superkleinen Schritten und heftig schwingenden Armen aufeinander zu und umarmen sich.
»Oh, das ist die supertollste Überraschung!«
»Wie herrlich, wieder hier zu sein!«
Sie tauschen mindestens zehn Minuten lang Neuigkeiten aus.
»Wer ist da?«, ruft es aus der Bettnische.
»Oh, Scheiße«, flüstert Milla und kichert.
FREIER: He? Ist da jemand?
MILLA: Nee, hier ist keiner.
FREIER: Irgendwas ist doch los.
MILLA: Nee, die Post ist bloß gekommen.
Milla und Aphrodite kichern. Milla wird hysterisch. Aphrodite auch ein bisschen, aber sie sagt, Milla müsse ihren Job zu Ende bringen. Also geht Milla zu dem Mann zurück.
MILLA: Ach je, so spät schon. Bald überziehen wir die Zeit!
Milla wird aktiv.
FREIER: He, das ist aber ziemlich aggressiv.
MILLA: Ach. Ich dachte immer, Männer mögen so was.
FREIER: Nicht so herum.
MILLA: Manche mögen es aber. Na also, dir hat es auch gefallen.
FREIER: Ich hab bloß auf den mechanischen Reiz reagiert.
MILLA: Macht nichts.
FREIER: Könnten wir nicht noch eine Weile plaudern?
MILLA: Ja, das könnten wir, wenn ich Therapeutin wäre, was ich aber nicht bin. Wie du dich vielleicht
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