Die Hure: Roman (German Edition)
Geruchssinn. Also bestellen sie jeden Tag Pizza bei dem türkischen Unternehmer im Erdgeschoss, der einfach nicht kapiert, dass Aphrodite keinen anderen Belag will als schwarze Oliven. Einmal hat er ein wenig Mozzarella über die Oliven gerieben. Aphrodite hat dem Türken die Pizza ins Gesicht geworfen und ihn bespuckt.
Als Aphrodite schwarze Müllsäcke an die Wände klebt, beschließt Milla zu handeln. »Du musst mal unter Leute kommen …«
»Keine Lust.«
»… deshalb habe ich Karten für uns gekauft!« Milla zeigt Aphrodite zwei pfefferminzgrüne Theaterkarten. »Ein lustiges Schauspiel heitert dich vielleicht auf, du bist doch die Göttin der Komödie.«
»Ich bin tragisch.«
»Nein, in der Poetik heißt es, die Komödie sei dein Ding.«
»Hast du Beweise?«
»Na … Nein.«
»Du bist so eine Ignorantin.«
»Und du bist so eine Elefantin.«
»Du hast mich Elefant genannt.« Aphrodite bricht in Tränen aus.
»Ich meinte Emigrantin. Entschuldige.«
Milla versichert Aphrodite, dass sie sich besser fühlt, wenn sie sich ein bisschen zurechtmacht und unter Menschen geht. »Fangen wir mit deinen fettigen Haaren an.«
Haarewaschen ist schwierig, wenn man es bei Kerzenlicht tut und aufpassen muss, dass kein Wasser in die Flamme tropft.
»Ich kämme dir eine hübsche Frisur.« Als Kind hat Milla davon geträumt, Friseuse zu werden, und auch jetzt überlegt sie manchmal, ob diese Arbeit angenehmer wäre als Ficken. Sie föhnt und toupiert Aphrodites Haare. Der Kamm verheddert sich in den Zotteln, und Milla muss ihn herausschneiden.
»Sorry, vielleicht bürste ich sie nur glatt.«
Dann ein wenig Make-up. Die Grundierung ist das A und O, das kann man in jeder Frauenzeitschrift lesen. Aber Aphrodites Haut ist so blass, dass die Make-up-Creme ziemlich grell wirkt. Eine dicke Puderschicht schwächt den orangen Farbstich ein wenig ab. Mascara und Rouge. Lipgloss.
»Nicht schlecht«, stellt Milla fest.
Aphrodite betrachtet das Resultat. Sie ist unzufrieden und malt sich breite schwarze Striche um die Augen.
Kleidung zu finden erweist sich als schwierig. Aphrodite besitzt nur winzige Fähnchen, in die ihre geschwollenen Maße nicht mehr passen. Milla findet ganz hinten im Kleiderschrank ein altes schwarzes Motörhead-Shirt, das Aphrodite akzeptiert. Alle anderen Kleidungsstücke schiebt sie verächtlich beiseite. Schließlich wählt sie eine Netzstrumpfhose und eine halblange Unterhose, weil die Shorts alle nicht dehnbar genug sind. Ihre geschminkten Augen verbirgt sie hinter einer großen Sonnenbrille.
»Rausschmeißen können sie uns wohl nicht«, sagt Milla.
Im Theater versammeln sich hauptsächlich gut gekleidete und reichlich parfümierte Menschen mittleren Alters. Sie glotzen Aphrodite an, die in träger Pin-up-Stellung auf der Garderobentheke liegt, sagen aber nichts. Nur ein älterer Herr macht eine Bemerkung, doch er hat ein wenig Kognak getrunken.
Milla hat Karten für die erste Reihe besorgt.
»Hier stinkt es nach alten Leuten«, beschwert sich Aphrodite, ohne die Stimme zu senken.
»Gar nicht wahr.«
Dabei stinkt es wirklich. Aber es ärgert Milla, dass Aphrodite ihre freundliche Geste nicht zu schätzen weiß.
Die Aufführung beginnt. Auf der Bühne sind viele Männer. Endlich kommt auch eine Frau hinzu. Sie spielt die Rollen der Mutter, der Dienerin und der Schlampe und hat kaum Dialog. Die Männer sprechen viel und schreien noch mehr.
»Wer sind diese Kerle?«, fragt Aphrodite.
»Keine Ahnung. Sei einfach still und guck zu.«
»Ich kapier nix.«
»Pssst«, zischt die Frau neben ihnen.
Sie sitzen eine Weile schweigend da. Aphrodite windet sich auf ihrem Sitz. Sie kann sich nicht entscheiden, ob sie das rechte Bein über das linke schlagen soll oder umgekehrt.
»Was für ein Mist.«
»Pssst«, zischt es vom Nebensitz.
Die Menschen lachen über irgendetwas, das auf der Bühne passiert.
»Worüber lachen die?«
»Über irgendwas. Ich hab’s nicht mitgekriegt, weil du dauernd quasselst.«
»Psssssssst!!«, zischt die Frau neben ihnen, dass die Spucke sprüht.
»Was verstehst du denn von Komödien, ich bin verdammt noch mal die Göttin der Komödie!«
Milla muss Aphrodite festhalten, damit sie der aufreizend zischelnden Dame nichts antut.
»Mir ist nicht zum Lachen. Eine Komödie muss einen zum Lachen bringen.«
»Man hat mir gesagt, das Stück wäre warmherzig und lustig«, verteidigt sich Milla.
»Hast du mal ’n Bonbon?«
»Hier werden keine Bonbons
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