Die Hure: Roman (German Edition)
verkauft.«
»Häh!?«
» PSSST !! «
»Du bist ein Nichts, also halt gefälligst die Schnauze!« Aphrodite klatscht der Dame das Programmheft ins Gesicht. Der Türschließer schleicht herbei und führt Milla und Aphrodite hinaus. Das ganze Publikum starrt ihnen nach. Die Schauspieler spielen weiter, denn es handelt sich um ein mittelmäßiges Stück, deshalb wollen sie so bald wie möglich nach Hause und keine Minute länger arbeiten als nötig.
»Finger weg!«, keift Aphrodite den Türschließer an.
»He, wir verpassen die Hälfte, kriegen wir nicht wenigstens einen Teil vom Eintrittspreis zurück? Die Karten waren ziemlich teuer.« Millas Frage stößt auf keinerlei Reaktion; so abgestumpft ist der Türschließer. Milla erkundigt sich, ob es beim Theater denn keinen Verbraucherschutz gebe.
»Genau, außerdem sollte das Stück lustig sein, und das war es nicht.« Vom Cafétisch im Foyer schnappt Aphrodite ein Stück Torte und reibt es dem Mann ins Gesicht. »Selbst das ist lustiger.«
»Raus jetzt«, befiehlt der sahnige Türschließer.
Aphrodite wird wütend. »Das Stück sollte mich zum Lachen bringen, hat es aber nicht, verdammte Scheiße!« Sie schmeißt Hefeteilchen und Lachspasteten durch das Foyer.
»Vielleicht gehen wir lieber«, schlägt Milla vor.
»Ich geh nicht, zum Teufel.«
Der Türschließer erklärt, er werde den Sicherheitsdienst anrufen. Milla zieht Aphrodite aus dem Theater.
»Wenn du es geschafft hättest, dich anständig zu benehmen, hätten wir die ganze Aufführung gesehen. Vielleicht wird sie zum Ende hin besser. Warum bist du so verdammt egoistisch?«
»Ich bin nicht egoistisch.«
»Wie du meinst.«
Milla lässt Aphrodite an der Treppe zum Theater stehen. Aphrodite erinnert sich daran, dass sie göttliche Kräfte besitzt. Sie schnippt mit den Fingern in Richtung des Theaters und sagt: FURCHTBARE SCHEISSE. Und in derselben Sekunde verwandelt sich das Gebäude in einen großen Scheißhaufen.
Milla bekommt nichts davon mit. Sie geht nach Hause, reißt die schwarzen Stoffbahnen ab, wirft den dreckigen Teppich in den Müll und saugt beim Licht des Fernsehers die Wohnung, weil sie vergessen hat, neue Glühbirnen zu kaufen. Aphrodites unmögliches Benehmen hat sie gekränkt. Es geht nicht darum, dass Aphrodite die Aufführung hätte loben sollen, die vielleicht wirklich nichts taugte, sondern darum, dass man ein Geschenk von einer Freundin, vor allem, wenn es sich um ein teures Geschenk handelt, zu schätzen hat.
Milla interessiert sich nicht groß dafür, was aus Aphrodite geworden ist. Manchmal gibt es Phasen in einer Freundschaft, in denen man kein Mitgefühl für die Freundin aufbringt, weil man der Meinung ist, dass sie es nicht verdient.
Wenn sie sich die Mühe machen würde, die vermischten Nachrichten zu lesen, wüsste sie, dass eine unter psychischen Problemen leidende Frau mittleren Alters unter dem Verdacht, ein gewisses Theater beschädigt zu haben, festgenommen wurde und dass diese Frau bereits polizeilich bekannt war. Doch Milla liest nur Artikel, die mit einem großen Foto illustriert sind. Oder mit einem kleinen, aber komischen Foto. Oder mit einem niedlichen Tierbild.
Schon seit einiger Zeit sehnt sich Milla nach einer Veränderung in ihrem Leben. Eine neue Wohnung zum Beispiel wäre ganz hübsch. Aber alles geht schief, jede Veränderung ist nur eine Verschlechterung.
Das goldene Zeitalter der Sexarbeiterinnen endete, als im Parlament irgendwer eine bewegende Rede hielt, in der gefragt wurde, ob wir wirklich wollen, dass man in unserer Gesellschaft eine derart unmoralische und unsittliche Tätigkeit ausüben darf; Familien zerbrechen, weil Väter und Ehemänner zu den Nutten rennen; die jungen Frauen ergreifen keinen anständigen Pflegeberuf mehr; die Kinder bekommen ein falsches Bild von der Sexualität. Und das Schlimmste: Die Würde der Frau verliert ihren Wert!
Auf diese Rede folgte eine Gesetzesvorlage zur Kriminalisierung der Prostitution. Einige waren der Ansicht, nur der Kauf von Sex solle verboten werden. Andere meinten, die Zuhälter seien die Quelle allen Übels. Eine lautstarke Minderheit peitschte jedoch ein Gesetz durch, das ausschließlich die Ausübung der Prostitution unter Strafe stellte. Die Zeitung brachte ein Foto der Politiker, die hinter diesem Gesetz standen. Milla erkannte zwei oder drei von ihnen als ihre Freier. Andererseits sehen alle Männer mittleren Alters gleich aus. Ebenso alle schnurrbärtigen Männer. Oder die Männer in
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