Die Hure: Roman (German Edition)
Gangsterfilmen.
Na ja. Das ist Millas Meinung.
Das neue Gesetz hat zur Folge, dass sie kaum noch vertrauenswürdige Freier findet. Neue wagt sie nicht anzunehmen, denn die könnten auf die Idee kommen, sie zu erpressen. Und es gibt noch miesere Kerle. Keine Schläger, das denn doch nicht, aber Typen, die einfach gehen, ohne zu bezahlen, und anschließend in ihren Blogs damit prahlen.
Viele der Stammkunden versuchen, den Preis für die Dienstleistung herunterzuhandeln. Manche taktvoller, manche weniger taktvoll. Milla sieht sich gezwungen, ihre Preise um fünfzehn Prozent zu senken.
Und dann sind da noch die Polizisten in Zivil.
Der Mann wirkt nett. Na gut, er wirkt vor allem richtig hartnäckig. Schickt täglich mehrere Mails. »Es wäre so schön, dich zu treffen, du scheinst ein nettes Mädchen zu sein.« »Bitte, triff dich mit mir, du wirst es nicht bereuen.« »Ich zahle ein bisschen extra.«
Milla macht eine Ausnahme von ihrer Regel, keine neuen Kunden anzunehmen.
Der Mann kommt, gibt ihr Geld, hat Verkehr mit ihr. Und dann: zieht er die Hose hoch, legt Milla Handschellen an und belehrt sie über ihre Rechte. Milla bekommt eine Geldstrafe, und ihr Bild erscheint in der Zeitung auf der Seite, auf der die Fotos von Unzucht treibenden Frauen, pardon: Personen veröffentlicht werden.
Das Foto ist richtig gut und weckt bei vielen Männern Interesse. Sie suchen nach Millas Kontaktdaten, aber die meisten finden nur ihre Anschrift heraus. In den Wochen nach der Veröffentlichung des Fotos erhält Milla Hunderte von Postkarten.
Die Sparte ist eine der meistgelesenen, und die Firmen wetteifern darum, ihre Werbeanzeige neben den Hurenfotos zu platzieren. So überrascht es nicht, dass Millas Verwandte und entferntere Bekannte ihr Porträt in der falschen Gesellschaft entdecken. Per SMS teilen sie ihr mit, sie hätten immer schon gewusst, dass Milla eine dumme Schlampe sei, die in dieser Branche enden würde, weil sie zu nichts anderem fähig sei. Ihre Cousine ruft sie an und rät ihr, sich ehrliche Arbeit zu besorgen.
»Was bist du denn schon? Consultant, ha ha«, sagt Milla und legt auf.
Die größte Angst hat Milla vor dem unausweichlichen Anruf ihrer Oma Lotta. Sie meldet sich ganz leise. Doch Oma Lotta sagt, nee, zum Teufel, in ihrer Jugend hat doch fast jede allerhand getrieben, und du bist trotzdem ein gutes Mädchen und kriegst auch deinen Erbteil, wenn ich mal sterbe, immer vorausgesetzt, dass ich nicht alles am Spielautomaten verzocke.
Milla geht die Situation gewaltig auf den Keks. Sie macht sich daran, ein kleines Pamphlet zu verfassen, dem sie den Titel gibt: »Wieso soll Hurerei falsch sein?« Ihr fallen auf Anhieb eine ganze Menge schädlichere Berufe ein. Zum Beispiel verschmutzt die Papierindustrie die Umwelt. Die Ölindustrie verschmutzt die Umwelt. Die Tiimari-Kette verschmutzt die Umwelt, indem sie überflüssigen Kram verkauft. Hurerei verschmutzt die Umwelt nicht, der einzige Abfall, der dabei entsteht, sind Kondome. Milla berechnet den CO 2 -Fußabdruck einer Sexarbeiterin und stellt fest, dass er weitaus kleiner ist als der eines Programmierers oder eines Bodypump-Trainers.
Das Schreiben inspiriert sie, und Milla überlegt, was sie zur öffentlichen Präsentation ihres Werks anziehen soll. Vielleicht ein Paillettenkleid. Sie muss mit ihrem Outfit Aufsehen erregen, weil das Thema so kontrovers ist.
Ihr fallen weitere gute Thesen ein. Was für ein blödes Wort. These. Klingt fast so, als hätte es etwas mit Tee zu tun. Dann schießt ihr plötzlich wie aus dem Nichts der Gedanke durch den Kopf, dass man Thesen an Kirchentüren zu nageln pflegt. Das hat doch auch Martin Luther getan, der Mann in Schwarz. »Fantastische Idee!«, jubelt sie und schreibt ihre Ansichten auf rosa Karton.
Am nächsten Morgen fotografieren die japanischen Touristen auf der Treppe zum Dom haltloser als gewöhnlich.
»Manko no e ga kaitearu!«, ruft einer.
»Finrandojin tte kimochiwarui«, sagt ein anderer.
Sie lachen, halten sich dabei aber die Hand vor den Mund. Als sie ihre Fotos im Kasten haben, beruhigen sie sich. »Dokode hirugohan taberu?«
Millas Thesen hängen einen halben Tag lang an der Kirchenwand, bevor sie abgenommen werden. Dabei muss man vorsichtig arbeiten, damit die Wand keinen Schaden nimmt, wenn man die neun Millimeter langen Schrauben entfernt. Zumal die Schrauben mit einem Schlagbohrer angebracht wurden. Eine Nachrichtenredaktion erscheint und filmt die Plakate, auf denen, aufgepeppt durch
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