Die Hure: Roman (German Edition)
anzusehen. Sex ist ein Akt der Liebe. Sie persönlich hat den Geschlechtsverkehr als Liebesakt geschaffen. Fleischliche Lust und Befriedigung verbreiten ein schönes, heißes Licht. Sex ist immer eine Geste der Anbetung, die den Ausübenden auf bessere Daseinsebenen erhebt, wodurch er Aphrodites herrlichen Namen wispert wie ein lauer Wind oder sie wie ein berauschendes Parfüm empfindet. Zum Pimmel noch mal, denkt sie, ich habe mich geirrt. Sich geirrt zu haben ist für einen Menschen furchtbar, für eine Göttin aber tausendmal schlimmer. Zum Glück sind es nur dreizehn Mädchen. Was, wenn es dreißig wären. Oder dreihundert. Aber trotzdem! Diese dreizehn Mädchen hat sie durch ihre Finger gleiten lassen, und sie sind auf die Erde gefallen wie … wie irgendwelche zu kleinen Dinge, die man … die man nicht rechtzeitig zu fassen bekam.
Aber was ist das für ein Ort, an dem Liebe und Schönheit so schamlos in den Schmutz gezogen wurden? An welchem Ort wurden Aphrodites Gaben an die Menschheit so unverfroren geraubt, verzerrt und befleckt?
»Ich muss missionieren gehen«, sagt sie.
»Dabei ist noch nie etwas Gutes herausgekommen«, wendet Milla ein.
»Diesmal klappt es.«
Die Menschen in diesem schrecklichen Land haben vergessen, was Liebe bedeutet. Oder sie haben es vielleicht nur komplett falsch verstanden.
Aphrodite bricht auf, um aufzuklären, um die Freudenbotschaft zu verbreiten. Unter den Menschen. Die Menschen sind im Grunde nicht böse. Sie sind nur dumm!
»Nach Indochina!«
»Nach China?!«
Kanya holt einen großen Weltatlas und zeigt auf ihr Heimatland.
»Ich weiß Bescheid, du brauchst es mir nicht zu zeigen!«, ruft Aphrodite. »Könntest du mir etwas zum Anziehen leihen? Ich bin in Eile.«
Aphrodite hat nur ein paar Federn von ihrem Taubenkostüm am Leib. Kanya gibt ihr eines ihrer Massagekleider. Es besteht eigentlich nur aus schwarzen Schnüren: Um den Hals liegt ein Band, von dem zwei Schnüre abgehen. Sie laufen über die Brüste zu einem Taillenband und von dort zum Slip. Aphrodite kokettiert vor dem Spiegel. »In diesem Outfit werde ich kein Glaubwürdigkeitsproblem haben!«
Auf der Paradiesinsel wohnte die kleine Sue,
sie hatte einen süßen kleinen Mund, weißt du.
Und manch ein Mann wollte gerne blechen,
um jeden seiner Zentimeter reinzustecken.
Doch bald genügt der kleine Mund nicht mehr,
jetzt muss auch etwas anderes her.
Die Verhütung vergisst so mancher Tourist,
wenn junges Fleisch seinen Pimmel umschließt.
Bald ist sie schwanger, die kleine Sue.
Ihr Zuhälter tobt, er schreit und schlägt zu.
Eine trächtige Hure, für den Pro fi t nur Mist,
zum Glück ist der Zuhälter Opportunist.
Er postet im Netz eine große Reklame:
»Für ’n Tausender gehört sie euch, die Dame.«
»Das zahlen wir gern«,
sagt eine Schar ausländischer Herr’n.
Sex reichte ihnen längst nicht mehr,
sie kamen mit allerhand Krankem daher.
Behielten den Kopf, boten die Organe zum Kauf,
den Rest fraßen am Morgen die Möwen auf.
Auf der Paradiesinsel starb die kleine Sue,
und so was passiert immer wieder, weißt du.
11.
ALL I WANNA DO IS: (BANG BANG BANG BANG)
AND: (KKKAAAA CHING)
AND TAKE YOUR MONEY.
ISRA UND IHRE MUTTER WOHNTEN in der Nähe des Waldes Himmapan in einem hübschen modernen Haus. Beim Spielen im Wald hörte Isra eines Tages ein leises Klagen. Sie hatte keine Angst, weil ihr nie etwas Beängstigendes passiert war. Also ging Isra auf das Geräusch zu und fand ein Tier, das mit dem Hinterlauf in eine Eisenfalle geraten war. Es war gehörnt, und auf seiner Haut wuchsen Schuppen. Es erinnerte an einen Stier. Aber auch ein wenig an einen Löwen. Und groß war es, vielleicht so groß wie Isras Haus.
Isra berührte die trockene Schnauze des Tiers. Sie war ein starkes Mädchen, und es kostete sie wenig Mühe, das Fußeisen aufzubiegen. Das Tier kam frei, doch sein Bein war schwer verletzt.
Da ihre Mutter Ärztin war, wusste Isra einiges über die Heilkunst. Sie riss ein Blatt von einem Busch ab und strich seinen Saft auf die Wunde. Im Wald von Himmapan ist vieles größer und stärker als andernorts; das gilt auch für die Heilstoffe der Pflanzen.
Das Tier sah dem Mädchen in die Augen und hinkte dann fort, hinein in den tiefen Wald.
Auf dem Heimweg hörte Isra das Motorengeräusch eines großen Wagens. Es kam ihr gar nicht in den Sinn, sich vor dem Fahrzeug zu verstecken. Der Lieferwagen hielt an, ein Mann stieg aus, den Isra nicht kannte. Sie grüßte ihn und wollte
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