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Die Hure: Roman (German Edition)

Die Hure: Roman (German Edition)

Titel: Die Hure: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Gustafsson
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Rekord bricht. Dabei hat sie sich in jüngeren Jahren gegrämt, weil sie sich kein Implantat leisten konnte! Sie liest laut ab, was auf dem Zettel steht.
    Unter ihnen erstrecken sich hohe Berge und ein großer Wald, der aussieht, als habe ihn nie ein Mensch mit seinen schweren Maschinen gerodet. Am Rand des Waldes liegt ein kleines Dorf. Dort landen sie.
    Auf der Erde nimmt Aphrodite wieder menschliche Gestalt an. Das geht nicht so schnell, die Flügel wollen sich nach dem langen Flug nicht in Arme verwandeln, und die Knie sind nach hinten verdreht wie bei Natalie Portman.
    Isra erhebt sich benommen, ihre Flügel sind nur noch versengte Stummel. Sie versucht aufzufliegen, fällt aber mit dem Gesicht auf die Erde. Milla hebt sie auf und umarmt sie.
    Eine Frau kommt aus einem kleinen Haus. Sie nähert sich, langsam zuerst, dann beginnt sie zu rennen. Als Isra die Frau erblickt, reißt sie sich von Milla los und flieht wimmernd in den Wald.

    Isra läuft, gerät beinahe ins Stolpern und springt über ein kleines Hindernis. Die Baumwurzeln werden immer dicker und knorriger, je weiter das kleine Wesen vordringt. Es ist, als ob es den Wald kennt, obwohl es in seinem Menschenleben nie so tief hineingelaufen ist.
    Die Frau verfolgt es. Sie ist nicht so gewandt, hat aber längere Beine. Die Frau ist gut und wichtig, das kleine Wesen muss sie loswerden. Entsetzliche Scham treibt es an. Man hat es beschmiert, beschmutzt, besudelt. Es ist schlecht und dreckig.
    Es läuft, springt, weicht aus. Sieht sich um. Die Frau fällt auf den Rücken. Sie ist gegen den unsichtbaren Zaun geprallt, der sie nicht auf diese Seite hinüberlässt.
    Das Wesen schaut der Frau in die Augen, aus denen reines Wasser strömt. Dann dreht es sich um und läuft tiefer und immer weiter und für alle Zeiten in den Wald hinein.
    Seine zerrissenen Insektenflügel und sein geschwärzter Körper. Seine versengten Haare. Seine Metamorphose. Es wird nie mehr zur Larve werden, die von den anderen geschützt oder verletzt wird.
    Hier ist es allein. Dies ist der einzige Ort auf der Welt, wo es existieren kann.
    Es kauert sich zwischen die Wurzeln eines tausendjährigen Baums und schläft sich die Qual, den Schmerz und die Trauer aus dem Leib.
    Die Erde bebt wie der Fußboden in einem Nachtclub. Es erwacht, kauert sich ängstlich zusammen, verbirgt den Kopf unter den Armen. Dann herrscht plötzlich vollkommene Stille.
    Nur ein Atem, schwer und warm, pustet ihm die Augen auf.
    Das kleine Wesen ist anders als die großen, vielleicht hausgroßen Tiere, die ihren feuchten Atem auf seine Haut blasen. Es hat Arme und Beine, sie haben vier Beine. Es hat oder hatte Flügel, sie haben Hörner. Es hat keinen Schwanz, sie haben Löwenschwänze.
    Sie nehmen es in ihr Rudel auf. Irgendwie wirken sie bekannt, doch diese Bekanntschaft liegt sehr weit zurück. Trotzdem hat es das Gefühl, dass sie es beschützen. Nicht, weil es klein und schwach ist, sondern weil es Schutz verdient.

    Womöglich gebäre ich jetzt, denkt Milla. Da geht ihr plötzlich auf, wie unangenehm das sein wird. »Wie gebärt man?«, fragt sie Aphrodite.
    Soweit Aphrodite sich erinnert, ist daran nichts Besonderes. Sie tröstet Milla, es gehe schnell und tue überhaupt nicht weh.
    Die Frau kehrt aus dem Wald zurück, sie hat Schürfwunden im Gesicht und an den Händen. Sie weint und klagt, gestikuliert verzweifelt. Dann sieht sie Milla. »Ich bin Ärztin«, ruft sie und läuft zu den Frauen hin.
    Sie sagt, sie heiße Devi, und dankt den Frauen dafür, dass sie ihre Tochter in die Heimat zurückgebracht haben. Denn wohin Isra auch gelaufen sein mag, dort muss es besser sein als da, woher sie gekommen ist.
    »Sorgst du für eine sterile Umgebung?«, bittet sie Aphrodite und führt die beiden in ihr kleines Haus.
    Die Geburt ist alles andere als leicht. Sie dauert zwölf Stunden und ist einfach grauenhaft. Devi muss Milla Morphium geben.
    Endlich wird ein Junge geboren, viertausenddreihundertfünfundzwan zig Gramm.
    »Ein Junge!?« Aphrodite hatte etwas anderes erwartet. »Aber es ist wohl auch ganz in Ordnung.«
    Milla antwortet nicht, sie ist vom Morphium immer noch benommen. Die Ärztin näht ihren Dammriss.
    Devi reicht Aphrodite die Plazenta und trägt ihr auf, sie möglichst weit wegzutragen und zu vergraben, tief in der Erde. Warum, fragt Aphrodite. Eigentlich möchte sie nicht nach draußen, denn dort ist es stockdunkel. Devi sagt, es muss aber sein.
    Aphrodite geht nur ein kleines Stück vom Haus weg. Sie

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