Die Hure: Roman (German Edition)
aus, und auch nur deshalb, weil man sie neben eine Gruppe männlicher Touristen setzen wollte. Isras Tat bringt den Männern Plätze in der ersten Klasse ein, als Entschädigung.
Die anderen Fliegenflügeligen sind in Finnland geblieben, nur Isra wollte Milla und Aphrodite begleiten. Niemand versteht, weshalb sie sich von dem Schwarm trennen und in das Land zurückkehren wollte, in dem man ihr so übel mitgespielt hat. Vielleicht ist sie nur ein ungewöhnlich gutmütiges und vergebendes Mädchen.
Bangkok, Stadt der Engel, sechs Millionen Einwohner.
Sie treffen in der Hauptstadt Thailands ein. Die Lufttemperatur beträgt dreißig Grad, in den Häusern ist es vielleicht noch wärmer. Von der feuchten Hitze, der Schwangerschaft, den Menschenmassen und dem hellen Licht überall wird Milla ganz schwindlig. »Ich halte das nicht aus.«
Aphrodite spritzt Milla Sonnencreme ins Gesicht. Manchmal tun ihr die Finnen, für die fast jedes Wetter schrecklich ist, ein wenig leid.
Sie verbringen die erste Nacht im Hotel. Aphrodite gönnt sich eine Maniküre. Isra beobachtet den Vorgang schreiend und fauchend, bis Milla mit ihr nach draußen geht, zum Swimmingpool. Dort starren alle auf Millas Bauch, aber sie ist daran gewöhnt, angestarrt zu werden. Sie ermuntert Isra, in das warme Wasser zu springen. Isra sinkt wie ein Stein auf den Grund. Als sie wieder hochkommt, spuckt sie schwarzen Schlamm ins Becken, und sie werden gebeten, den Poolbereich zu verlassen. Die restliche Zeit verbringen Isra und Milla im Hotelzimmer, wo sie die Klimaanlage und die exotischen Früchte genießen, die Milla noch nie gesehen hat, nicht einmal im Katalog von Stockmann.
Am nächsten Morgen fahren sie mit dem Bus nach Pattaya. Isra ist total aufgeregt. Im Bus läuft sie nach vorn und presst Gesicht und Handflächen an die Windschutzscheibe. Der Fremdenführer bittet die Sorgeberechtigten, das Kind sofort auf seinen Platz zu holen.
Pattaya ist wie ein Gemälde von Bosch.
Isra gleicht einem Hündchen, das ständig vorwärtszerrt. Sie fliegt auf, wagt aber nicht, die Frauen allzu weit hinter sich zu lassen. Sie faucht. Zischt. Knurrt. Quakt. Knackt.
Dann hält sie an. Bevor Milla oder Aphrodite eingreifen können, geht sie mit den Fäusten auf einen Touristen los, der sich gerade eine Zigarette anzündet, und entreißt ihm das Feuerzeug.
Hierher musste sie zurück. Dies ist das Ziel. Das Bild am Fenster des kleinen Freudenhauses zeigt zwei kniende Nymphen, die die Köpfe senken und deren Körper ein Herz formen. Isra schwingt sich in die Lüfte. Sie stürzt sich gegen das Fenster, bis die Scheibe zersplittert. Dann spuckt sie einen schwarzen Schwall durch das zerbrochene Fenster, schleudert Feuer hinterher und das Haus flammt auf, wuhhhh.
Isra fliegt über den Flammen und versprüht auch auf die umliegenden Häuser dieses schwarze Zeug, was ist das, ist es Öl? Ja, es ist Öl, stellt Milla fest. Die Menschen drängeln, Panik kommt auf. Scooter stoßen zusammen, aus den Gassen traben Hunde herbei, in den Straßenküchen kippen die Töpfe um. Pattaya ist plötzlich ein wogendes Flammenmeer.
»Komm raus da, verdammtes Schätzchen«, ruft Milla, doch Isra fliegt nur immer tiefer hinein. »Tu doch was!«, schreit Milla nun, und Aphrodite verwandelt sich in eine riesige Flugeidechse. »Scheiße!« Milla springt auf den Rücken der Aphrodite-Eidechse, und sie tauchen in die Flammen.
Die Hitze ist entsetzlich. Milla denkt an ihr Baby. Kann der Fötus traumatisiert werden? Kann der Fötus Brandwunden davontragen? Ist er noch ein Fötus, wenn er voll entwickelt ist? Oder ist er schon ein Baby?
Sie sehen, wie Isra sich immer näher an die Flammen heranwagt. Jetzt fliegt das Mädchen auf eine brennende Mauer zu. Milla schreit, sie befiehlt Isra, anzuhalten, doch ihre Stimme geht im Lärm unter.
Die Aphrodite-Eidechse forciert das Tempo, bleibt für den Bruchteil einer Sekunde in unnatürlich senkrechter Position in der Luft stehen und packt das kleine Mädchen mit ihren Klauen. Isra zappelt und schlägt um sich, aber Aphrodite hat sie fest im Griff und ist außerdem viel größer: Flügelspannweite zwölf Meter, während sie bei Isra vielleicht einen Meter oder anderthalb misst.
Sie lassen die zerstörte Stadt hinter sich und fliegen davon.
»Such mal die Adresse heraus«, fordert Aphrodite mit Eidechsenstimme. Milla zieht den kleinen rosafarbenen, nach Jasmin duftenden Zettel aus ihrem BH, dessen Körbchengröße mittlerweile ihren persönlichen
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