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Die Hure: Roman (German Edition)

Die Hure: Roman (German Edition)

Titel: Die Hure: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Gustafsson
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geschafft, jubelten die Erinnyen. Doch seltsamerweise war die Verteilung der Geschlechter im Himmel immer noch ungleich. Jetzt ist Selbstreflexion angesagt, stellten die Erinnyen fest. Aber der Fehler lag nicht bei ihnen. Wieder mussten sie den Blick auf die Menschen richten.
    Sie erkannten, dass nicht alle Frauen zu Zusammenschluss und gegenseitiger Hilfe bereit waren, sondern einander im Grunde genau so behandelten, wie sie von den Männern behandelt wurden.
    So ist das also, riefen die Erinnyen. Sie wurden derart wütend, dass sie in der Hölle eine eigene Abteilung einrichteten, für Frauen, die einander nicht helfen. Dort sollten diese Verräterinnen eine ganze Ewigkeit lang sexistische Witze hören, sich auf den Busen starren lassen, Kaffee kochen und Fürze riechen.

12.
    ’CAUSE I MAY BE BAD, BUT I’M PERFECTLY GOOD AT IT.
SEX IN THE AIR, I DON’T CARE, I LOVE THE SMELL OF IT.
STICKS AND STONES MAY BREAK MY BONES,
BUT CHAINS AND WHIPS EXCITE ME.

    ES KOMMT DIE NACHT, in der Mirkalla nicht nach Hause zurückkehrt.
    Der Mann wacht bis zur Morgendämmerung und denkt, die Frau habe ihn verlassen. Wie peinlich! Wie soll er das seinen Eltern und seinen Freunden erklären, die alle finden, diese Frau sei fast zu gut für ihn? Und er wollte doch nur beweisen, dass er seiner Frau würdig ist.
    Das ist er.
    Früher war der Mann vielleicht ein Arschloch, aber Mirkalla hat einen guten Kerl aus ihm gemacht. Der er seiner Meinung nach freilich tief in seinem Inneren immer schon war. Sie hat seinen guten Kern nur freigelegt.
    Die Frau kommt am Morgen nicht zurück, den ganzen Tag über nicht und nie mehr.
    Der Mann ruft mindestens tausendmal bei Mirkalla an, hört aber nur Rauschen. Schließlich dann die Ansage, die gewählte Nummer sei nicht vergeben.
    Tage vergehen, er erstattet Vermisstenmeldung. Ruft so oft bei der Polizei an, dass seine Anrufe schließlich nicht mehr angenommen werden.
    Wo sich Mirkalla aufhält, weiß nicht einmal das rothaarige Mädchen, das den Mann kaum grüßt, vermutlich aus Schüchternheit. Der Mann hofft, dass sie sich als Bekannte in dieser Zeit des Verlusts gegenseitig trösten, doch das Mädchen versteht ihn offenbar nicht.
    Er hängt Vermisstenmeldungen in der Stadt aus. Auf den schwarz-weißen Kopien ist ein Foto seiner fantastischen Frau, die wie ein Model aussieht, obwohl sie blass ist und nicht lächelt. Ach ja, richtig, so sind Models heute. Über dem Foto steht » VERMISST «, an den unteren Rand hat er seine Kontaktdaten geschrieben und darunter »Belohnung!!!!«.
    Er steht an einer Bushaltestelle und streicht sorgfältig Leim auf die Rückseite seines Aushangs. Dann klebt er das Papier an den Abfallbehälter, gerade und präzise, damit sich keine Luftblasen bilden.
    »Sie hat nie gelernt, sich zu verteidigen«, sagt jemand. Dem Mann ist es unangenehm, von Fremden angesprochen zu werden. Er tut, als hätte er nichts gehört, und pfeift vor sich hin.
    »Hallo, du Arschloch«, es ist eine heisere Frauenstimme. Der Mann blickt von seinem Papierstapel auf. Eine grauhaarige Frau mit schwarzer Mütze starrt ihn an. Sie sieht fast wie ein Gerippe aus. Der Mann erschrickt beinahe.
    Die Frau zieht an ihrer Zigarette und deutet mit der freien Hand auf die Glaswand der Haltestelle. Auf das Glas ist das Bild einer Frau gesprayt, künstlerisch, in Schwarz, Weiß und Rot. Sie sieht seltsam aus. Ein bisschen erschreckend. Eindeutig leblos. Schrecklich gefoltert. Aber gefoltert wirkende Frauen sieht man ja überall. Es macht Spaß, sie zu betrachten.
    Ohne Lächeln, aber nicht ausdruckslos. Wie ein Fotomodell.
    Eher schmale, aber sinnliche Lippen. Dicke Brüste.
    Vom Nacken schlängelt sich eine schmale Kreuzotter zwischen die Brüste. Sie sieht genauso aus wie Mirkallas Tätowierung!
    Ja. Tatsächlich, du liebe Güte: Das Bild zeigt keine andere als seine schöne Frau. Tot und mit einem Strahlenkranz gekrönt.
    Und nackt, was seine Gefühle im ersten Moment am meisten in Wallung bringt.
    Die rauchende Frau sieht ihn verächtlich an, wobei der Mann ihren Blick allerdings als mitfühlend deutet, wirft ihm die Kippe vor die Füße und steigt in den Bus.
    Immer mehr Bilder finden sich in der Stadt, und sie werden immer größer. Dann erscheint das allergrößte Bild.
    Der Mann leidet. Entweder, weil seine Frau entehrt wird, oder weil die Bilder womöglich dokumentarisch sind. Na, aus beiden Gründen! Niemand weiß, was Mirkalla zugestoßen ist. Wenn sie noch lebte, wäre sie doch längst nach Hause

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