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Die Hure: Roman (German Edition)

Die Hure: Roman (German Edition)

Titel: Die Hure: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Gustafsson
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fürchtet, nicht mehr zurückzufinden, wenn sie sich zu weit entfernt. Sich immer wieder umschauend, gräbt sie mit den Zehen ein kleines Loch in den Sand, legt die Plazenta hinein und schiebt Kiessand darüber.
    Nachdem sie sich umgedreht und etwa zehn Meter zurückgelegt hat, hört sie ein widerliches Geräusch in der Luft. Als ob wabbelnde nackte Schenkel gegeneinanderklatschen. Sie richtet ihre kleine Taschenlampe auf das Geräusch. Am Grab der Plazenta lässt sich gerade eine Frau nieder. Allerdings ist es gar keine Frau, sondern nur ein Kopf, an dem eine Reihe innerer Organe hängt: Luftröhre, Lunge, Magen, Därme, Gebärmutter, allerlei Gedöns.
    Der Kopf hat lange Raffzähne. Er verschlingt die Plazenta, sein Mund ist mit Blut und Schleim beschmiert.
    Aphrodite übergibt sich und läuft gleichzeitig zum Haus, sodass die Kotze auf ihre Hüfte, den einen Arm und die Beine fliegt. Zum Glück trägt sie nicht so schrecklich viel oder eigentlich überhaupt keine Kleidung.
    Der Kopf verschlingt den Rest der Plazenta und fliegt Aphrodite nach.
    »Was für ein widerliches Ding!!«, kreischt Aphrodite, als sie ins Haus rennt.
    Devi erwartet sie an der Tür. »Kra-Sue«, sagt sie.
    Das Wesen schreit gellend, seine Lunge füllt sich mit Luft und leert sich wieder. Es will ins Haus, dort ist ein Leckerbissen, nammm, mehr von der Sorte, ein ganzes Neugeborenes. Wenn Kra-Sue es verschlingen könnte, würde es in die Gebärmutter rutschen, und dann wäre es da, wo es hingehört.
    Devi sieht Aphrodite tadelnd an. Aber Aphrodite konnte doch nicht wissen, was passiert, wenn man die Plazenta nicht weit genug wegbringt, verdammt!
    Devi nimmt ein Skalpell und reckt es drohend. Sie spricht in ihrer eigenen Sprache mit dem Wesen. Aphrodite steht hinter Devi in der Türöffnung und hält einen Besen hoch. Devi erklärt, wenn Kra-Sue nicht sofort verschwinde, müsse sie ihr die Lunge aufschneiden. Das sei gar nicht angenehm. Das Wesen krächzt. Es versteht durchaus. Aber der Neugeborenengeruch ist so stark, dass es sich nicht zügeln kann. Es ist auf den Geschmack gekommen, es will einen frischen kleinen Menschen.
    Wie eine blutige Rakete saust Kra-Sue an Devi vorbei ins Haus. Sie hält kurz an, wittert und eilt dann in das Zimmer, in dem Milla und das Baby liegen. Kra-Sue ist so gierig, dass sie dem kleinen Jungen als Erstes einige Zehen abbeißt, statt sich sofort auf die delikateren Teile, auf Arme, Bauch und Beine zu stürzen. Aphrodite stürmt in das Zimmer. Sie packt das Wesen am Gedärm und reißt den schreienden Kopf von dem Baby weg. Nachdem sie Kra-Sue auf den Boden gerollt hat, stellt sie sich auf ihren Magen und bohrt ihr den Besenstiel durchs Herz.
    »Das hättest du nicht tun dürfen«, ruft Devi, die in dem Moment hereinkommt, als das Monster aufgespießt wird.
    »Warum nicht?«
    »Es war nur ein bemitleidenswertes Mädchen. So etwas hat es nicht verdient.«
    »Es hat versucht, das Baby zu fressen, und zum Teil hat es das auch geschafft.«
    Devi erwidert nichts, doch ihre Miene verrät, dass Aphrodite einen schweren Fehler gemacht hat. Sie verbindet den Fuß des kleinen Jungen, an dem die beiden äußersten Zehen fehlen, deckt das Baby und Milla zu, geht zu Bett und schläft mehr als vierundzwanzig Stunden lang.
    Aphrodite schläft nicht. Sie trägt Kra-Sue hinaus, schließt ihr die Augen und legt eine rosa Anemone neben das Gesicht des Wesens. Sie bleibt sitzen und wartet auf die Sonne, die die Überreste des jungen Monsters zu Asche verbrennt.
    Als der Tag angebrochen ist, putzt Aphrodite den Fußboden. Sie betrachtet das Baby und denkt über seine Zukunft in dieser Scheißwelt nach. Berührt den Fuß des Kindes, die Stelle, an der ihm nun ihretwegen Zehen fehlen. Aphrodite küsst den Fuß, und statt der fehlenden kleinen Zehen wachsen Vogelkrallen nach. Sie besieht sich, was sie zustande gebracht hat, und seufzt so schwer wie seit Jahrtausenden nicht. Das Beste, was die Göttin der Liebe und der Fruchtbarkeit im Moment tun kann, ist wohl, über das Baby zu wachen.
    Auch daran scheitert sie. Sie schläft auf dem Stuhl ein, und das Erste, was das Baby beim Aufwachen sieht, sind Aphrodites fettige blonde Haare, die ihr Gesicht verhüllen wie ein schmutziger Vorhang.

    Milla schreckt aus dem Schlaf hoch und weiß im ersten Moment nicht, ob die Wirklichkeit noch da ist oder woanders. Das Vogelgezwitscher, das von draußen hereindringt, bringt sie in die richtige Zeit und an den richtigen Ort zurück. Sie betrachtet

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