Die Hure: Roman (German Edition)
Lilith. Aphrodite hat nur noch ein Ass im Ärmel. Sie schreibt das letzte Fax: »Wie wäre es mit Rache?« Denn gegen Hass hilft nur Rache, und Liliths Hass ist bodenlos.
Eine halbe Minute später windet sich eine absolut teuflisch große Schlange vor Aphrodite. Milla springt kreischend aufs Bett. Aphrodite verbeugt sich und macht rasch einen Knicks.
APHRODITE: Wir müssen nach Phallustein, das Patriarchat zerstören.
LILITH : Da kann ich nicht hin.
APHRODITE: Natürlich kannst du. Da können alle Unsterblichen hinein, die nicht an den häuslichen Herd gebunden sind. In der Praxis also diejenigen, die eine Waffe tragen, und du. Und Manat. Aber die hat sich ja längst aus dem ganzen System ausgeklinkt.
LILITH: Dasss isst ssso gebaut, dasss ich nicht reinkomme.
APHRODITE: Meinst du das symbolisch?
Lilith schnaubt.
LILITH: Glasssplitter, Nadeln, Nagelteppiche.
APHRODITE: Ach so. Richtig. Du hast ja keine Beine. Verdammt! Wieso vergesse ich das immer? Mist. Was machen wir jetzt?
LILITH: Warum fragssst du nicht die Amazonen?
APHRODITE: Na, die sind gewissermaßen schon drin.
LILITH: Wirklich?
APHRODITE: Na, ähem, ja.
LILITH : Esss gibt natürlich eine Alternative. Ich brauche Menschengestalt.
Milla legt das Kind an die Brust.
MILLA: Ich bin nicht verfügbar. Nur zur Information, falls ihr an mich denkt.
APHRODITE: Andere Menschen sehe ich hier nicht.
LILITH: Und die Schriftstellerin?
APHRODITE: Schriftstellerin?
MILLA: Laura?
LILITH: Genau.
Die Sache ist so wichtig, dass ich nicht ablehnen kann, obwohl ich eigentlich arbeiten müsste und so. Ich sage zu und gehe hin.
Als Allererstes frage ich, wo Isras Mutter ist. Milla sagt, sie hätte geglaubt, ich wüsste es.
»Na ja, eigentlich nicht.«
»Sie ist eines Tages einfach weggegangen.«
»Vielleicht setzt sie ihr Medizinstudium fort«, schlage ich vor.
»Ach, war sie denn noch gar keine Ärztin?«
»Nein. Die Fakultät hat sie rausgeschmissen, als sie schwanger wurde. Wusstet ihr das nicht?«
»Nein. Aber sie ist trotzdem ganz gut zurechtgekommen.«
Wir betrachten Millas Baby. Es ist nicht gerade niedlich, aber das sind Babys wohl selten. Hauptsache, sie haben zwei Nasenlöcher, zwei Augen und einen Mund. Damit kommt man schon weit. Arme und Beine sind natürlich auch ganz gut, aber nicht so lebenswichtig. Morpheus hat Arme und Beine, nur zwei Zehen fehlen. Ein ganz passabler Mensch.
»Findest du, dass du für diesen Job qualifiziert bist?«, fragt Aphrodite.
Na klar, antworte ich, denn meiner Meinung nach bin ich meistens für alles Mögliche qualifiziert.
»Dasss isst schon viel wert«, sagt die ausgesprochen große Anakonda.
Eine Weile schweigen wir alle und lächeln irgendwie nicht so ganz befreit. Davon abgesehen, dass die Schlange natürlich nicht lächelt, weder angespannt noch locker. Sie sagt, na dann, an die Arbeit. Ich frage, wie es vor sich gehen soll.
»Normal mache ich dasss umgekehrt. Aber jetzt mussst du mich schlucken.«
»Ich bin vegan.«
»Sssolange du kein Imam bissst.«
Die Anakonda Lilith kriecht an meinem Körper hoch bis zum Mund. »Nee, da muss ich kotzen«, sage ich.
»Entweder ssso oder von unten.«
»Aha. Verstehe.«
Und so verschlucke ich Lilith, und mein Körper wird ihr Körper: Wir sind eins.
Morpheus verabschiedet sich von uns. Das heißt, eigentlich verabschiedet er sich nur von Aphrodite, denn außer ihr versteht niemand, was er sagt. Mir geht auf, dass die Göttin der Liebe uns durchaus alle hinters Licht führen kann.
»Er sagt, er wartet am Ziel auf uns«, erklärt Aphrodite. Dann ermahnt sie Milla noch, über den Schlaf ihres Kindes zu wachen.
Um ins Patriarchat zu gelangen, müssen wir einen Riss in seiner stählernen Ummantelung finden. Aphrodite erinnert sich an das Ferienparadies, das Isra zerstört hat: Dieser Gewaltakt hat garantiert einen Eingang in die Diktatur von Phallustein gefräst.
Lilith weist Aphrodite an, sich in eine vogelschnabelbewehrte Flugeidechse zu verwandeln. »Wir wollen die Sache stilvoll durchführen.«
Mir befiehlt sie, mich umzuziehen. Mein neues Outfit ist so ähnlich wie das, in dem Aphrodite nach Thailand kam: ein schwarzes Halsband, von dem ein zweites Band senkrecht nach unten zum Waffengurt und zum Slip führt. Schwarzer BH, Strings und schenkellange Strümpfe. Hohe rote Stiefel. Als Accessoires trage ich einen roten Handschuh an der rechten Hand und auf der rechten Schulter eine Art Schutzschild, den ich unter der linken Achsel festbinde. Schon als Kind
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