Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
konnten. Nur mit Mühe gelang es Bürgermeister Doneldey, ihn dazu zu bewegen, noch einen Tag länger zu warten.
»Wozu soll das gut sein? Der Graf verhöhnt uns. Und die Geschichte um die Fälschung ist an den Haaren herbeigezogen, um Mindermann vor seiner gerechten Strafe zu schützen. Und die anderen beiden …« Er zeigte mit dem Finger auf Lena und Laurenz, die nebeneinandersaßen und empört zuhörten. »… hängen mit drin. Sie hat in seinem Haus gearbeitet, eine Hure. Der liebestolle Büttel ist ihr gefolgt, um Mindermanns Kopf zu retten. Womöglich haben sie den armen Schreiber selbst umgebracht.«
»Das ist genug!« Laurenz sprang auf und zog sein Schwert. »Nehmt das sofort zurück! Wie könnt Ihr uns so etwas unterstellen? Welche Beweise habt Ihr für derartige Vermutungen?« Seine Augen sprühten vor Zorn.
Erich von Geestemünd stand ebenfalls auf und stieß verächtlich die Luft durch die Nase aus. »Solange ihr eure Behauptungen nicht beweisen könnt, ist es für mich und viele andere eine Lüge.«
»Genug!«, donnerte der Bürgermeister. »Ich sagte, wir warten auf den Grafen. Wenn uns bis dahin nichts einfällt, reiten wir mit dem Gefangenen zurück. In Bremen wird er unter Folter sicher bestätigen, was behauptet wird. Ich glaube den dreien.«
»Das hätte ich voraussagen können, ohne ein Seher zu sein.« Mit diesen Worten drehte Erich von Geestemünd sich um, stieg auf sein Pferd und ritt davon.
Mindermann legte Lena freundschaftlich die Hand auf die Schulter. »Er beruhigt sich hoffentlich wieder. Nehmt euch seine Worte nicht so zu Herzen. Ich weiß auch nicht, was mit ihm los ist.«
Ratsherr Dettenhusen sah von einem zum anderen, nahm einen Schluck Wein und räusperte sich. »Es liegt doch auf der Hand«, sagte er plötzlich, und alle sahen ihn erstaunt an, denn normalerweise war er eher der Schweigsame. »Dass der Stadtrat geteilt ist, wissen wir alle. Erich und die Seinen waren gegen den Krieg und wollten, dass wir die Bauern freilassen, damit wir nicht die Hanse zu Hilfe holen müssen. Mindermann, der Bürgermeister und wir Übrigen waren dafür. Da wir uns nicht einigen konnten, stand plötzlich der Graf vor Bremen, und wir waren gezwungen, ohne die Hanse in diese Schlacht zu ziehen.«
Er machte eine kurze Pause und sah Constantin Mindermann eindringlich an. »Würdest du von der Bildfläche verschwinden, würden die meisten Abstimmungen sicher nach Erichs Willen verlaufen.«
»Aber er würde doch nicht so weit gehen, in Kauf zu nehmen, dass Constantin als Verräter dastünde«, warf nun Albert Doneldey ein.
»Und er war schon immer mürrisch. Allein, weil sein Weib ihm keine Kinder schenken kann. Das kann einen Mann aus der Bahn werfen, der auf einen Stammhalter hofft. Auch mir blieb dieser Wunsch bisher versagt«, gab Mindermann offen zu.
»Ja, aber du bist nicht so wie er«, meinte der Bürgermeister.
»Warum ist von Geestemünd gegen die Hanse?«, wollte Laurenz wissen, der aufmerksam zugehört hatte.
»Weil er ein Kaufmann ist, der reicher werden will«, antwortete Mindermann verächtlich.
»Aber mit der Hanse hätte Bremen einen sehr mächtigen Verbündeten.«
»Damit hast du recht, Laurenz. Doch von Geestemünd ist lieber sein eigener Herr und meint, Bremen sollte es auch sein. Die Hanse boykottiert Flandern, von Geestemünds Schiffe liefern aber weiter an Flandern. Natürlich zu überhöhten Preisen. Das kommt ihm sehr gelegen.«
»Verstehe.« Laurenz wirkte nachdenklich.
Kurt kam um die Ecke des Zelts. Laurenz stieß Lena an und nickte mit dem Kopf in dessen Richtung.
»Oh. Entschuldigt mich, meine Herren.«
Sie begrüßte ihren Bruder freudig und bot ihm einen kleinen Spaziergang an. Willig nahm Kurt ihre Hand, und sie gingen am Ufer der herbstlichen Weser entlang. Bäume und Büsche, die den Fluss säumten, trugen vereinzelt noch rote oder gelbe Kleider. Alles wirkte so friedlich. Kurt gab ihr zu verstehen, dass er die letzten Tage Angst um sie gehabt hatte, und Lena beruhigte ihn.
»Mir geht es wieder gut. Es ist nichts geschehen. Der Mann sitzt im Kerker und wird mir nichts mehr tun. Also mach dir keine Sorgen.«
Kurt schüttelte den Kopf.
»Wirklich, ich bin in Sicherheit«, versicherte Lena ihm, doch Kurt schüttelte erneut den Kopf. Sie verstand, warum er solche Angst hatte, immerhin war es sehr tragisch, was er in seinem Alter schon alles hatte mitbekommen müssen.
An einer günstigen Stelle warfen sie ein paar Steine in den Fluss, und Kurt schaffte
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