Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
es sogar, sie ein paarmal auftrumpfen zu lassen, ehe sie untergingen.
»Das machst du sehr gut«, lobte Lena ihn, und er lächelte stolz. Ihre eigenen Steine gingen erbarmungslos unter, und nach dem siebten Versuch gab sie es lachend auf.
Sie pflückten sich ein paar Äpfel und kehrten dann ins verwaiste Lager zurück. Von Weitem sahen sie, dass die Ratsherren am Dorfrand standen. Neugierig ging Lena zu Laurenz, um zu erfahren, was los war.
»Erich von Geestemünd ist nicht wiedergekommen, vermutlich war er doch so erzürnt, dass er alleine nach Bremen geritten ist. Außerdem haben wir eine Nachricht vom Grafen erhalten, dass er auf dem Weg zu uns ist, um zu verhandeln«, teilte Laurenz ihr mit.
Plötzlich kam Lena ein Gedanke. Etwas hatte sie gestört, aber es wurde ihr erst jetzt bewusst, weil sie schon so viele Male Hure genannt worden war. Ludwig Mindermann hatte sie Hure genannt. Wenn es nicht einfach ein bösartiges Schimpfwort von ihm war, hatte er es nur von einem wissen können: Erich von Geestemünd. Wann aber waren die beiden in Kontakt getreten? Es konnte doch nur mit dieser Abordnung gewesen sein. Dann musste Geestemünd zwangsläufig mit Ludwig Mindermann gesprochen haben.
»Laurenz«, sagte Lena eindringlich, »von Geestemünd steckt hinter allem!«
»Wie kommst du darauf?«
»Als Ludwig mir in die Scheune folgte, nannte er mich Hure, doch das konnte er eigentlich nicht wissen, zumindest erinnere ich mich nicht, ihn damals je gesehen zu haben.«
»Er war auch selten in der Stadt, wie der Ratsherr sagte.«
»Siehst du. Also kann er es nur von Erich von Geestemünd haben. Er muss es ihm unmittelbar vorher gesagt haben.«
»Das würde sehr vieles erklären. Ich habe in den letzten drei Tagen einiges über den Zwiespalt im Stadtrat erfahren. Komm, lass es uns dem Bürgermeister mitteilen.«
»Geh du nur. Ich gehe mit Kurt in mein Zelt und spiele Mühle mit ihm.«
»Lass deine Schwester nicht gewinnen.« Laurenz zwinkerte Kurt zu, und dieser zwinkerte zurück.
»Warum halten Männer immer zusammen?«, fragte Lena lachend und führte Kurt in das Zelt, in dem sie dank des Stadtrats zwei Tage gelebt hatte.
Nach einigen Spielen, die Lena, sehr zur Freude von Kurt, verlor, erschien der Graf mit seiner Frau, der ältesten Tochter Flora und einigen Mägden in ihrem Lager. Als Lena Flora sah, fiel ihr schlagartig ein, woher sie das Gesicht des toten Schreibers kannte. Er war der Mann, mit dem die Grafentochter in der Scheune verschwunden war.
Zur Besprechung zogen sich die Männer höflich in ein Zelt zurück, während die Frauen und Kinder draußen saßen. Nach einer Weile stand die Gräfin auf.
»Ich ziehe es vor, etwas zu gehen, möchtest du mich begleiten, Flora?«
»Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich gerne hierbleiben«, antwortete die Tochter.
Die Gräfin nickte und ging gemäßigten Schrittes über die Wiese. Das Gesinde folgte ihr. Lena ergriff die Gelegenheit und sprach die Tochter des Grafen an.
»Darf ich Euch Gesellschaft leisten, Frau Gräfin von Hoya?«
»Warst du nicht eine unserer Mägde?« Das Mädchen schnitt eine Grimasse, da es gegen die Sonne blicken musste.
»Ja, Frau Gräfin von Hoya, aber irrtümlicherweise.«
Mit einer Handbewegung bot sie Lena an, Platz zu nehmen.
»Habt Dank, aber würde es Euch vielleicht gefallen, wenn wir uns die Pferde auf der Koppel ansehen? Ich sah heute ein junges Fohlen mit seiner Mutter.« Lena wusste aus den vielen Erzählungen auf der Burg, dass die junge Gräfin eine Schwäche für Fohlen hatte.
Begeistert wie ein Kind klatschte Flora in die Hände. »Natürlich. Auf welcher Weide sind sie? Ich hoffe, es ist nicht weit, denn wenn man nach mir suchen muss, bekomme ich eine Schelte.«
Lena deutete auf einen kleinen Weg, der zur Wiese führte. »Ihr könnt das Gatter von hier aus sehen.«
»Ah, ja. Dann zeigt mir das Fohlen, rasch.«
Als sie am Gatter standen, zeigte Lena auf die Stute mit dem Fohlen. Wie alt es wirklich war, wusste sie nicht, doch sie wollte mit Flora ungestört reden.
»Ich habe Euch nicht wegen der Pferde hierhergelockt«, gestand Lena, pflückte etwas Gras und ließ einen leisen Pfiff hören, um die Pferde anzulocken.
»Weswegen dann?« Neugierig sah Flora sie an.
»Ich habe Euch auf dem Fest mit dem Schreiber beobachtet.«
Ein Schatten huschte über Floras Gesicht, und sie bekam rote Ohren. Auffällig sah sie sich nach allen Seiten um, dann blitzten ihre Augen Lena feindselig an. »Wer würde dir glauben,
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