Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
Schlafkammer seiner Frau zu. Lenas Herz raste in ihren Ohren. Das war sehr knapp gewesen. Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, schlich Lena ebenfalls dorthin und lauschte mit angehaltenem Atem.
»Wach auf, Heide, ich habe hier Medizin, die dir helfen wird.« Die Stimme des Ratsherrn klang sanft. Lena wusste genug.
Damit man sie hier nicht erwischte, schlich sie wieder in die Diele, stieg in ihre Schuhe und entsorgte die Flüssigkeit im Abort. Erleichtert lächelte sie, als sie sich vorstellte, wie verwundert der Ratsherr am Morgen sein würde, wenn seine Frau nicht tot im Bett lag.
Eine Sekunde später gefror ihr Lächeln. Mit der Hand schlug sie sich gegen die Stirn. »Oh nein!« Gerade hatte sie den Beweis weggeschüttet. »Du dummes Ding«, schalt sie sich selbst.
»Mit wem sprichst du da?« Lena schrak zusammen, als die Stimme von Rosa durch die Tür drang.
»Ach mit niemandem. Ich habe mich nur über etwas geärgert.«
»Na dann ärger dich zu, ich muss mal!«
»Ja, ja.« Lena versteckte den Becher in ihrem Gewand und verließ das Örtchen, wobei Rosa sich dringlich an ihr vorbeischob.
Nun würde sie noch länger in diesem Haus bleiben müssen, bis sich eine neue Gelegenheit ergab, und dann würde sie zweimal nachdenken, ehe sie Beweise vernichtete.
Kapitel 9
Gute zwei Wochen waren vergangen, seit das Feuer im Haus des Ratsherrn gewütet hatte. Der Ratsherr zeigte zumindest nicht offen, wie sehr er sich wunderte, dass es seiner Gemahlin gut ging. War es am Ende kein Gift gewesen, das er ihr hatte geben wollen?
Inzwischen war alles wieder hergerichtet. Wie jeden Tag reinigte Lena vor allem die Feuerstelle in der Kammer des Hausherrn besonders gründlich. Sie war beinahe fertig und gab langsam die Hoffnung auf, dass sie noch einmal ungestört sein würde.
Rosa war nebenan in der Wohnkammer damit beschäftigt, neue Binsenmatten auszulegen, als Helene von oben rief: »Kann eine von euch beiden hochkommen und mir bei den Kleidern der Hausherrin helfen? Ich bekomme die Truhe nicht alleine vom Fleck.«
»Kannst du das bitte eben machen?«, rief Rosa herüber.
Lena stand auf, ging zur Tür und zeigte Rosa ihre schmutzigen Finger. »Wenn du willst, dass die Kleider der Ratsherrin schwarz und harzig werden, dann mache ich es.«
Rosa seufzte. »Gut, dann gehe ich.« Sie ließ missmutig die Binsenmatte los und eilte zur Treppe.
Endlich! Eilig ging Lena in die Kammer zurück.
Vorsichtig wagte sie einen Blick in die zweite Truhe, die vor dem pompösen Bett mit Federdecke und Kissen stand. Sie wischte sich die Hände ab und hob den Deckel an. Es kamen Dokumente, mehrere Holzschachteln und ein abgegriffener Holzkreisel zum Vorschein, aber ein Lederbeutel war nicht zu sehen. Lena lauschte, ob Rosa zurückkehrte, hörte aber nur, dass oben eine Truhe verschoben wurde. Von draußen klang die Arbeit der Stallknechte hinauf und von unten das leise Klappern von Töpfen. Der Ratsherr war im Rathaus und die Ratsherrin nach wie vor in ihrer Kammer, die sie seit ihrer Rückkehr kaum verlassen hatte.
Lena nahm eine mit edlen Schnitzereien verzierte Holzschatulle und öffnete sie. Zu ihrer Enttäuschung waren nur Schriftstücke darin, und sie bedauerte wieder einmal, dass sie nicht lesen konnte. Laurenz hatte ihr damals, als sie bei Marie auf die Geburt von Veronika wartete, angeboten, es ihr beizubringen, doch Lena war zu ungeduldig gewesen und hatte schnell aufgegeben.
Seufzend legte sie die Schatulle wieder zurück und achtete auf Geräusche, während sie eine weitere Kiste öffnete. Ein Duft von Kräutern stieg ihr aus dem Kästchen in die Nase. Dieses Mal hatte sie Glück, denn darin befanden sich mehrere Lederbeutel, die alle mit verschiedenfarbigen Bändern zugeschnürt waren. Sie erinnerte sich, dass das gesuchte Säckchen dunkel war, also nahm sie ein dunkles, öffnete es und roch daran. Darin waren Lavendelblüten, eindeutig. Sie legte es zurück und probierte eins nach dem anderen durch. Alle Säckchen enthielten Kräuter, getrocknete Blütenblätter oder kleine bunte Steine, doch es war keines dabei, das sie nicht als Heilmittel erkannte.
Grübelnd nahm sie ihre Arbeit wieder auf. Sollte sie sich in der Nacht getäuscht haben? Hatte Herr Mindermann seiner Frau wirklich ein Heilmittel geben wollen? Sie glaubte es nicht. Das Ratsehepaar hatte ein Kind verloren, ein Mädchen. Er war groß, hatte einen schwarzen Rappen im Stall, und den Sattel hatte Lena eindeutig erkannt. Nur seine Stimme, da war sie
Weitere Kostenlose Bücher