Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
dass wir unterlegen waren.«
»Das heißt, er lebt?«
»Das nehme ich an.«
Ehe sie weitere Fragen stellen konnte, wurde sie erneut gerufen, um den Oberschenkel eines Bremer Soldaten zu versorgen, der von einem Schwerthieb getroffen worden war.
Abends kam Lena ausgelaugt in den Stall zurück, wo Thomas auf sie wartete.
»Du siehst aus, als würdest du bald umfallen«, stellte er besorgt fest.
Sie strich sich die verschwitzten Haare aus dem Gesicht und versuchte ein Lächeln, doch es wollte nicht ganz gelingen.
»Es sind so viele Verwundete, und manche Verletzungen sind einfach furchtbar.«
»Dann freut es dich zu hören, dass einer unserer Bader sich ab jetzt um meinen Arm kümmern wird. Er hat übrigens sehr viel Lob für dich gehabt, auch als er meine Wunde sah.«
Thomas goss ihr einen Becher Wasser ein, brach Brot und Käse ab und reichte ihr beides. Lena nahm dankbar an, obwohl sie viel zu müde war und keinen Hunger verspürte.
»Iss erst einmal«, sagte er und wandte sich an ihre Mutter, wobei seine Miene nichts Gutes verhieß.
»Wir packen und haben die Order, morgen bei Sonnenaufgang aufzubrechen. Ich wollte es euch wissen lassen.«
»Wohin bringen sie uns, Thomas?« Judith von Riede war offenbar weniger besorgt als Lena selbst.
»Zurück nach Hoya. Die Bauern, die freiwillig zu den Ländereien zurückkehren, sollen etwas dafür erhalten. Die Leute, die kein Land zu bestellen haben, werden wohl Parzellen zugewiesen bekommen. Was aus den anderen wird, das weiß ich nicht.«
»Und die gefangenen Bremer, was wird aus ihnen?«
»Ich habe euch etwas Trockenfleisch mitgebracht.« Er wickelte ein großes Stück aus einem Tuch und reichte es Judith.
»Du bist so gut, Thomas.«
»Nein, nein. Ich habe euch mehr zu danken.« Er sah kurz Lena an, dann wieder ihre Mutter. »Die Befehlshaber und Ratsherren werden in ein Lager kommen, das man bereits errichtet hat. Die einfachen Soldaten kommen ins Burgverlies.«
»Das sind sicher über vierzig Mann«, stellte Lena fest. Verliese waren meistens ein Herd von Krankheiten, vor allem wenn zu viele Gefangene auf zu engem Raum lebten. »Ist das Verlies denn groß genug?«
»Nein.« Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Es ist für höchstens zehn Gefangene ausgerichtet.«
»Was haben die Grafen denn mit den Leuten vor?«
Thomas zuckte mit den Schultern. »Vielleicht wird man mit Bremen um sie feilschen.«
Das waren tatsächlich keine guten Nachrichten, und da einige andere Frauen das Gespräch verfolgt hatten, verbreiteten sich die Neuigkeiten rasch und schürten die Angst.
An diesem Abend wurden die Wachposten um ihr Lager herum verdoppelt. Vielleicht glaubte man, dass die Frauen jetzt doch noch fliehen würden, doch hatte niemand die Absicht.
»Henrike und Emma stehen kurz vor der Niederkunft. Wenn die Kinder nicht noch heute Nacht kommen, sondern auf dem Weg nach Hoya, wird es Probleme geben.« Judith betrachtete Henrike sorgenvoll.
»Sie haben doch sicher Fuhrwerke. Vielleicht lassen sie die Schwangeren und Alten dort mitfahren?«
Lena war von ihrem Einwand selbst nicht überzeugt, aber sie wollte nicht schwarzmalen und den Frauen noch mehr Angst machen.
»Ich hoffe es für Henrike. Ihre Schwangerschaft war nicht einfach. Sie hatte mehrfach Blutungen, und es ist ein Wunder, dass sie das Kind nicht verloren hat.«
Lena fühlte sich an ihre Schwangerschaft erinnert und bedauerte die junge Frau aufrichtig. »Dann werden wir ihr einfach helfen, so gut es geht.« Zuversichtlich strich sie ihrer Mutter über den Arm. »Was hältst du davon, wenn wir vorsorglich ein paar Tragen bauen?«
Überrascht sah Judith sie an. »Können wir das denn?«
»Wenn wir gemeinsam anpacken, wird es gehen.«
»Kind, das ist ein wirklich guter Einfall.«
»Dann komm, Mutter. Wir trommeln ein paar Frauen zusammen und machen uns ans Werk.
Zu fünft und mit Hilfe der Kinder, die sowohl Weidenäste als auch Schilf und Binsen sammelten, hatten sie tatsächlich innerhalb weniger Stunden drei recht ordentliche Tragen zusammengeflickt. Die Ablenkung tat ihnen gut, und nach getaner Arbeit waren sie sogar ein wenig stolz auf ihr Werk und die Schwangeren außerordentlich dankbar.
»Für wen ist die dritte Trage?«, fragte Henrike und richtete sich mühsam auf.
»Die ist für den Fall, dass eine unterwegs kaputtgeht oder jemand einen Unfall hat, sich den Fuß verletzt oder krank wird. Ansonsten können sich die Älteren unter uns abwechselnd darauf ausruhen.«
»Lena, du bist ein
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