Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman

Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman

Titel: Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
Vom Netzwerk:
finde ich doch ungewöhnlich.«
    Er stutzte. »So? Welche denn?«
    Lena deutete auf die Burgmauer. »Der dort zum Beispiel. Wirkt er nicht wie ein Riese?«
    »Das ist Michael. Und du hast recht, er überragt viele von uns. Habt ihr denn nur kleine Männer in Bremen?« Er grinste frech, was ihm ein jungenhaftes Aussehen verlieh.
    »Nein, aber irgendwie ist er mir aufgefallen, genauso wie der dort.« Lena zeigte auf den Mann, der inzwischen vor ihnen zum Stall ritt.
    »Seinen Namen kenne ich nicht. Er ist erst kurz vor Kriegsbeginn zu uns gestoßen, wie viele andere auch. Er kann von einem anderen Lehen stammen oder wer weiß woher.«
    »Es ist auch nicht wichtig.« Lena wechselte das Thema, um Thomas nicht misstrauisch zu machen. »Was müssen wir denn für Dienste in der Burg verrichten?«
    »Das wird euch Gudrun sagen. Sie steht dem Gesinde vor, ist streng, hat aber ihr Herz auf dem rechten Fleck.«
    * * *
    Alles war wie im Haus des Ratsherrn, nur um ein Vielfaches größer. Der gesamte Hofstaat umfasste gut zweihundert Menschen, und solange der Graf von Lüttich hier verweilte, waren es noch einmal siebzig mehr. Lena musste aufpassen, sich nicht zu verlaufen, denn es gab mehrere Treppenaufgänge und viel Flure in der Burg.
    Die höhergestellten Personen fanden sich täglich im größten Saal der Burg ein. Zu den Mahlzeiten und an den Abenden nahmen auch der Burgherr und seine Gemahlin sowie seine Schar Kinder am gesellschaftlichen Leben teil. Ansonsten zog die Familie sich in ihre privaten Gemächer zurück.
    Den gewaltigen Saal sah Lena meistens leer, weil sie nur frühmorgens die Überreste der Gelage beseitigen musste. Am Tage hatte sie hier nichts zu suchen, sondern half in der Küche oder bei der Wäsche, was ihr ganz recht war. Ihre Mutter war für die Kammern zuständig, richtete Betten her und schaffte Ordnung. Eine Aufgabe, die sie bereits als junges Mädchen verrichtet hatte, und zwar genau hier, wo sie auch Lenas Vater kennengelernt hatte, wie sie ihr eines Abends erzählte.
    Nach einer Woche, der Herbst war langsam ins Land gezogen, sprach Frau Gudrun Lena an. Sie war von kleiner Statur, musste im Alter ihrer Mutter sein und hatte eine strenge Linie um den Mund, doch ihre freundlichen Augen verrieten das, was Thomas von ihr behauptet hatte: eine gute Seele.
    »Kind, du machst deine Arbeit wirklich gut. Kannst du auch Gäste bewirten?«
    Lena dachte an ihre Zeit im Töchterhaus. Dort hatte es immer mal Feierlichkeiten gegeben, bei denen die Mädchen die Männer bewirten mussten. »Ja, ich glaube schon.«
    »Dem Herren sei Dank.« Sie wirkte erleichtert. »In zwei Tagen gibt der Graf ein Abschiedsfest für die Lütticher. Dann brauchen wir jede Hand, die nicht vor Ungeschicklichkeit strotzt. Ich werde dir etwas Passendes zum Anziehen heraussuchen lassen. So …«, sie maß Lena mit hochgezogenen Brauen, »… so kannst du auf keinen Fall vor diesen Leuten erscheinen.«
    Lena zuckte mit den Achseln. »Leider habe ich nichts anderes mehr.« Sie sah selbst an sich herunter. Ihr Kleid war an einigen Stellen gerissen und schmutzig, und in diesem Moment schämte sie sich für ihre Aufmachung.
    »Mach dir nichts daraus. Wir finden schon etwas Kleidsames.«
    Lena war mit der Arbeit oft so früh fertig, dass ihr zwischen den Aufgaben immer wieder etwas Zeit blieb, um sich auf dem Burggelände umzusehen. Schnell fand sie heraus, wo die Gefangenen untergebracht waren. Doch wenn sie versuchte, durch eins der Kerkerfenster zu schauen, war nur Finsternis zu sehen, außerdem stank es bestialisch nach menschlichen Ausscheidungen. Lena schüttelte sich, wusste aber nicht, wie sie Laurenz hier helfen sollte, denn besuchen durfte man die Gefangenen nicht.
    Sie erkundete, wo die Soldaten nächtigten und in welchen Räumen die höheren Personen wohnten. Merkte sich, wann Wachablösungen stattfanden, wie viele Männer auf der Mauer patrouillierten und wann und für wen das innere Tor geöffnet wurde. Händler wurden beim Hereinkommen kontrolliert, beim Hinausfahren jedoch nicht. Vielleicht konnte diese Beobachtung einmal von Nutzen sein.
    Die Burg lag mit einer Kirche gut geschützt auf der Insel in der Weser und bestand aus einem Schloss, einem Bergfried, mehreren Nebengebäuden und zwei Ställen. In dem einen war nur Platz für die Pferde der gräflichen Familie. Im anderen Stall hielt man einige Kühe und Schafe, die morgens von ein paar Jungen auf eine Weide geführt wurden. Die Hühner hatten einen kleinen Verschlag,

Weitere Kostenlose Bücher