Die Hure von Bremen - historischer Kriminalroman
waren beinahe wie berauscht und umarmten einander glücklich. Wenigstens für sie war nicht alles Leid umsonst gewesen. Es schien sich zum Guten zu wenden. Lena freute sich mit ihnen.
»Ich soll euch mitnehmen«, sagte plötzlich eine männliche Stimme hinter ihnen, die Lena kannte.
»Thomas.« Judith war offenkundig erfreut, ihn zu sehen. »Das ist Lenas Laurenz.«
Die beiden Männer grüßten sich knapp.
»Wohin sollst du uns bringen?«, fragte Lena besorgt.
»Ich habe ein gutes Wort für euch eingelegt. Ihr Frauen könnt in der Burg als Mägde arbeiten. Den Jungen könnt ihr mitnehmen.« Er deutete auf Kurt, der ein Stück hinter seine Mutter getreten war, und wandte sich dann an Laurenz.
»Dich muss ich zu den Kriegsgefangenen bringen, da du erzählt hast, dass du Bremer bist.«
Lenas Herzschlag setzte aus, während Thomas’ Miene Bedauern zeigte. »Ich hoffe, du machst mir keine Schwierigkeiten.«
Laurenz lächelte Thomas an. »Das habe ich nicht vor, schließlich verdanke ich es dir, dass ich kurz mit Lena sprechen konnte.«
»Ich bin sicher, dass sich eure Leute bald um euer Freikommen bemühen werden.«
»Ja, es ist beinahe der gesamte Stadtrat unter den Gefangenen. Da werden sich die übrigen und der Bürgermeister hoffentlich nicht viel Zeit lassen.«
Thomas nickte knapp, fuhr sich mit der Hand in den Nacken und lächelte erleichtert. Offenbar hatte er Laurenz’ Reaktion gefürchtet. »Wartet bitte hier«, sagte er an Judith gewandt.
Nachdem sie sich voneinander verabschiedet hatten, sahen sie den beiden Männern nach, bis sie über die Brücke in der Menge verschwanden. Lena hoffte, dass der Graf auch die einfachen Soldaten einigermaßen gut behandeln würde.
Die Frauen, die wochenlang zusammengelebt hatten, wünschten sich gegenseitig alles Gute, die Bauern gingen nach und nach zurück auf ihre Höfe. Silke umarmte Lena und bat sie, einmal zu Besuch zu kommen, wenn sich die Lage wieder für alle normalisiert hatte. Lena und Judith versprachen, es zu versuchen. Silke streichelte Kurt über den Kopf und machte sich mit ihrem Mann auf den Weg. Lena beneidete sie, denn sie gingen in ein neues und besseres Leben.
Schließlich waren nur noch eine Handvoll Menschen auf dem Platz übrig, umgeben von einer Vielzahl Soldaten. Wie so oft hielt Lena Ausschau nach großen Männern und ließ ihren Blick über die Soldaten schweifen. Als sie tatsächlich einen großen Dunkelhaarigen auf einem Pferd entdeckte, stockte ihr der Atem.
Er trug die Uniform eines Hauptmanns, hatte ihr den Rücken zugewendet und redete mit seinen Kameraden. Lena bohrte ihren Blick in sein Kreuz und hoffte, dass er sich umdrehen würde. Ein Zupfen an ihrem Ärmel erweckte sie aus ihrer Starre.
»Kind, sieh doch.« Judith deutete in die entgegengesetzte Richtung, wo ebenfalls ein sehr großer Mann mit dunklen Haaren stand. Er hatte die Uniform eines gemeinen Soldaten an und wurde teilweise von anderen Männern verdeckt. »Könnte er das sein?«
»Es wäre möglich, aber auch der dort drüben.« Lena zeigte auf ihre Entdeckung.
Ihr Bruder Kurt hatte die beiden Frauen aufmerksam beobachtet und zupfte nun ebenfalls an Lenas Kleid.
»Was ist, mein Kleiner?«
Kurt streckte, wie zuvor ihre Mutter, seine Hand aus und zeigte zu einem großen dunkelhaarigen Mann. Er stand auf der Burgmauer und beobachtete das Treiben auf dem Hof. Lena wurde unsicher. Sie hatte immer gehofft, dass sie Maries Mörder, den Geliebten von Heide Mindermann, sofort erkennen würde, wenn sie ihn sähe. Mit drei von ihnen hatte sie nicht gerechnet. Aber immerhin waren drei besser als keiner. Ehe sie einen Plan fassen konnte, war Thomas wieder bei ihnen.
»Kommt mit, es wird euch in der Burg gut gehen. Aber sagt um Himmels willen nicht, dass Lena Bremerin ist.« Er lächelte schief, und Lena ahnte, dass er sich mit viel Mut für sie eingesetzt haben musste.
»Von uns werden sie es nicht erfahren. Aber was ist mit den Soldaten, die Laurenz und mich gefangen nahmen?«
Thomas winkte ab. »Die haben hier nichts zu suchen. Außerdem werden viele von ihnen wieder nach Hause gehen. Nur der Graf von Lüttich, seine Ritter und ein paar Hauptmänner und Wachtmeister werden bleiben.«
Sie gingen über die Brücke in den Innenhof der gewaltigen Burg, die von einer hohen Mauer und mehreren Türmen umgeben war.
»Kennst du eigentlich jeden hier?«, fragte Lena.
»Die meisten. Wieso fragst du?«
»Ach, mir sind einige Männer aufgefallen, die ungeheuer groß sind. Das
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