Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom
niemanden, der ihn schützen könnte.«
»Ihr vergesst mich «, erwiderte Sandro. »Wenn nötig, werde ich mich bei Papst Julius für Forli verwenden.«
»Oh, interessant. Ihr wollt also tatsächlich so wie ich zu einem widerwärtigen Buckler werden, der sich Vorteile zu erschleichen versucht? Herzlich willkommen im Vatikan, Bruder Carissimi.«
Die Parade war Massa gelungen, das musste Sandro zugeben, und für einen Moment war er sprachlos. Er wandte sich ab und ging zu seinem Pferd, doch er war unzufrieden mit sich, und jetzt wegzureiten, wäre ihm wie eine Niederlage vorgekommen. Er kehrte also wieder zur Kutsche zurück, wo Massa ihn grinsend empfing.
»Ich muss mich entschuldigen«, sagte Sandro im unterwürfigsten Tonfall, der ihm zur Verfügung stand. »Bruder Massa,
ich sehe ein, dass ich mich in der Beurteilung Eurer Person geirrt habe.«
Massa nickte ebenso überrascht wie huldvoll. »Sieh an, Ihr kommt also langsam zur Vernunft?«
Sandro nahm die Stellung des reuigen Sünders ein. »So ist es. Ich habe Euch bitter Unrecht getan, habe Euch schreckliche Dinge an den Kopf geworfen, wie zum Beispiel, dass Ihr nicht in der Lage seid, Zuneigung zu empfinden. Denn wie ich zu meiner Verblüffung erfahren habe, Bruder, habt Ihr für Maddalena sogar eine sehr starke Zuneigung empfunden.«
Nun war es Massa, dessen Miene gefror.
Sandro beugte sich über den Verschlag der Kutsche und sah Massa an. Seine Stimme war kalt und streng. »Ihr habt sie geliebt, Massa, nicht nur körperlich. In Euren Augen war sie keine Konkubine, jedenfalls nicht, solange sie bei Euch blieb. Sie war eine Frau, ohne die Ihr nicht mehr leben und denken konntet. Was Ihr hattet, habt Ihr ihr gegeben. Doch dann kam Quirini, und nach Quirini kam Julius. Es muss schrecklich für Euch gewesen sein, mitzuerleben, wie sie von Mann zu Mann gereicht wurde, mehr noch, wie Maddalena es auskostete und forcierte, aufzusteigen. Eine Zeitlang habt Ihr Euch damit beholfen, Maddalena zu folgen, ja, Ihr habt sie sogar in der Wohnung aufgesucht, die Quirini ihr eingerichtet hatte. Doch sie wollte nichts mehr von Euch wissen, und wer weiß, mit welcher rücksichtslosen Deutlichkeit sie das zum Ausdruck gebracht hat. Diese Undankbarkeit nagte an Euch. Ihr hattet sie gewissermaßen entdeckt, denn ohne Euch wäre Quirini nicht auf sie aufmerksam geworden. Aber wie alle Entdecker konntet Ihr nicht lange Eure Entdeckung genießen, da sie Euch – gleich neuem Land – aus den Händen gerissen wurde. Als Geliebte des Papstes schließlich wurde sie unerreichbar für Euch, und zu allem Überfluss musstet Ihr als Julius’ Kammerherr sogar die Demütigung hinnehmen, ihr den Liebeslohn zu überbringen
und Verabredungen auszumachen. Hat sie diese Posse genossen? Hat sie Euch ausgelacht? Habt Ihr Maddalena bezahlt, damit sie Julius nicht erzählt, welche Bedeutung sie einst für Euch hatte? Möglicherweise hätte Julius es vorgezogen, jemand anderen zum Kammerherrn zu machen, jemanden, der nicht verliebt in Maddalena war. War Maddalena zuletzt ein Damoklesschwert für Euch, oder war sie eine Peinigerin? Vermengten sich Furcht und Groll zu einem unappetitlichen Gebräu, das Euch innerlich aufzufressen drohte? Dann, Bruder Massa, müsst Ihr am heutigen Tag eine ungeheure Erleichterung verspüren, denn Maddalena liegt grau und kalt in der Gruft.«
Massa saß erstarrt in seiner apostolischen Kutsche und brachte kein Wort heraus.
»Und was Sebastiano Farnese angeht…«, fügte Sandro hinzu. »Er wusste etwas, das Euch nur allzu deutlich mit dem Mord an Maddalena in Verbindung brachte, nämlich die Tatsache, dass Ihr kurz vor dem Mord den Vatikan durch seine Pforte verlassen habt. Er ließ sich nicht von Euren Drohungen einschüchtern, kam zu mir – und nun ist er tot.«
»Nehmt Euch in Acht, Carissimi …«
»Das werde ich. Verlasst Euch darauf.«
Sandro schwang sich auf das Pferd. Er wusste, dass Massa nach diesem Vorfall alles daransetzen würde, ihm zu schaden, und dass er wenige Möglichkeiten hatte, dem entgegenzuwirken. Falls Sandro nicht vorhatte, sich nicht doch noch bei Massa anzubiedern – was nicht in Frage kam -, und er ebensowenig vorhatte, sich einer anderen Clique zuzuwenden – was wenig besser sein dürfte -, dann blieb ihm nur die ehrenhafte, aber dumme Schutzlosigkeit.
Oder das Patronat des Papstes.
Er ritt wie ein Besessener. Die Hufe des Pferdes donnerten über Teppiche von Gras und Ackererde, und der Atem des Tieres ging schwer, ein
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