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Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom

Titel: Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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er sarkastisch. »Es ehrt dich, dass du mir nicht widersprichst. Und weißt du, warum es dich ehrt? Weil es wahr ist. Und weil du glaubst, dass es wahr ist, dass ich kalt bin. Du bist der einzige Wahrhaftige in meiner Umgebung, weißt du das? Ist dir das klar? Der einzige, Sandro.«
    Er wandte sich ab und trat aus dem Lichtkegel heraus. Sandro folgte ihm im Abstand von zwei Schritten. Das leise Knirschen ihrer Schuhe hallte in der Krypta wider.
    »Ja«, begann er erneut, »ja, ich bin kalt, und ich bin unberechenbar. Es gibt Stunden, Sandro, da hasse ich mich selbst. Und nun, wo Maddalena tot ist, da fürchte ich, noch kälter, noch unberechenbarer, noch hassenswerter zu werden. Niemanden zu haben, den man liebt, macht hemmungslos.«

    Er drehte sich abrupt um, sodass Sandro erschrak.
    »Davor fürchte ich mich, Sandro, fürchte ich mich stärker als vor dem Tod. Bei lebendigem Leibe von schlechten Gefühlen aufgefressen zu werden, das ist ein langsames, qualvolles Sterben.« Er packte Sandro an den Schultern. »Es muss doch einen Ausweg für mich geben, irgendeine Hoffnung, einen Trost. Es kann doch nicht sein, dass es so endet.«
    Sandro schluckte. »Eure Heiligkeit, ich …« Ihm fehlten die Worte. Er hatte im Hospital vielen Menschen Trost gespendet, die nichts mehr hatten außer einem schmalen Rest von Leben. Und nun schien er wieder einen solchen Menschen vor sich zu haben, mit dem Unterschied, dass es sich um den Stellvertreter Christi handelte. Er kam sich vor wie der stammelnde Priester, als er sagte: »Ihr werdet – Ihr habt – Ihr seid auf einem richtigen Weg, Eure Heiligkeit, indem Ihr Eure Fehler eingesteht und die Gefahren erkennt, die jedes erhabene Amt, auch Eures, mit sich bringt.«
    Julius nickte gedankenverloren. »Ja, vielleicht hast du recht.« Er schwieg eine Weile und sagte dann: »Ich bin froh, dass wenigstens du jemanden hast, der dich glücklich macht. Hast du ihr den Auftrag übergeben?«
    »N-nein.«
    »Was ist passiert?«
    Sandro räusperte sich. »Nun, Eure Heiligkeit, es – ich …«
    »Oh, du hast sie verlassen. Oder sie dich.«
    »Ja, es – es war gestern ein schwieriger Tag für mich, voller Zerwürfnisse. Meine Mutter und dann – sie.«
    Sandro wusste auch nicht, wieso er das alles in dieser Ausführlichkeit erzählte. Es hätte gereicht, die Angelegenheit mit dem Auftrag zu besprechen und im Übrigen den Mund zu halten. Doch er befand sich in einer ähnlichen Situation wie der Papst – er hatte keinen Menschen, dem er von seiner Misere hätte erzählen können. Er war allein. Nicht so allein und so
elend allerdings, dass er weiter darüber gesprochen hätte. Es war ein kurzer Moment der Schwäche gewesen, vielleicht sogar ein Moment des Mitleids, kaum der Rede wert und nicht als Fortsetzung gedacht.
    Julius jedoch genügte dieser kurze Moment, um Sandro einer Umarmung für wert zu befinden. »Der Sohn, den ich liebte, war dein Freund. Die Frau, die ich liebte, wirst du rächen. Mein Gewissen habe ich in deine Hände gelegt, als ich dir beichtete. Und nun vertraust du dich mir an, und du entbindest mich von meiner Schuld.«
    »Nicht ganz«, schränkte Sandro ein. »Ich erinnere Eure Heiligkeit nur ungern an …«
    »… das Waisenhaus? Der Bauauftrag wurde heute Morgen vor der Fahrt hierher erteilt. Maddalenas Villa auf dem Gianicolo wird noch in diesem Sommer umgewandelt.«
    »Eine sympathische Idee«, lobte Sandro.
    Julius lächelte. »Ist es möglich, Sandro, dass das Schicksal dich zu mir geführt hat und mich zu dir?« Er erwartete keine Antwort, denn er wandte sich dem Sarkophag mit Maddalenas marmorner Totenmaske zu, die aus dem Stein aufragte wie das Gesicht eines Ertrunkenen aus dem Wasser.
    »Wenn du mich jetzt bitte allein lassen würdest. Meiner Schuld durch Gott den Herrn entbunden, kann ich Maddalena nun endlich wieder unter die Augen treten, kann ich wagen, sie um Verzeihung zu bitten.«
    Sandro verneigte sich und schritt langsam durch den Raum, tauchte aus dem Dunkel in das gleißende Lichtquadrat und gleich darauf wieder in das Dunkel ein. An der Tür angekommen, wandte er sich noch einmal um. Julius berührte den Sarkophag mit beiden Händen, er streichelte ihn, liebkoste ihn, und dann senkte sich sein Körper auf den kalten Stein, so als lege er sich auf eine warme, atmende Frau. Sandro hatte nicht vergessen, dass dieser Mann noch vor wenigen Tagen die Frau,
die jetzt zur ewigen Ruhe gebettet worden war, geschlagen hatte. Doch er hörte auch das verzagte

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