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Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom

Titel: Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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nachgegangen war, hatte ihr Mut auf ein neues Leben gemacht... Die Heirat war schon geplant gewesen. Carlotta wäre Signora Carlotta Bender geworden, die Gattin des Ulmer Glasmalers, die Stiefmutter Antonias, eine ehrbare Frau so wie früher, vor sieben Jahren, als sie noch Carlotta Pezza hieß und mit Mann und Tochter in Siponto an der Adria lebte. Ihr erstes Leben, so nannte sie diese schon lange vergangene, zertrümmerte Zeit. Hieronymus sollte ihr drittes Leben werden, und sie hatte bereits auf der Schwelle zu diesem Leben gestanden, als er wenige Tage vor der Heirat an einer Lungenentzündung gestorben war. Auf dem Sterbebett hatte er darauf bestanden, dass der Priester sie noch schnell miteinander verheiraten sollte, doch dieser hatte zuerst die Sterbesakramente gespendet, da sie wichtiger für das Seelenheil waren. Gleich danach war Hieronymus gestorben, und mit ihm ein neuer Anfang.
    Carlotta trug weiterhin den falschen Namen da Rimini, einen frei erfundenen Konkubinennamen, und sie stand vor der Frage, ob sie ihr zweites Leben, das Leben einer Frau ohne Zukunft, wieder aufnehmen sollte.
    Die Rückkehr zum Dasein einer römischen Konkubine, einer Edelhure, bedeutete vielerlei, und das Meiste davon war – wenn man es positiv betrachtete – unerfreulich. Die wenigsten
jungen, unerfahrenen Frauen erkannten das rechtzeitig. Sie kamen aus unterschiedlichen Gegenden Italiens in die Ewige Stadt, und sie alle hatten ihre Gründe dafür. Eines jedoch war ihnen gemeinsam: Sie alle trugen das Siegel des Kummers, des Schmerzes, des Verlustes und der Angst. Sie alle liefen vor etwas Schrecklichem davon, nämlich ihrer Vergangenheit. Sie kamen nach Rom und suchten nach Möglichkeiten, um zu überleben, doch sie fanden keine anderen als die Hurenhäuser oder – wenn sie nicht schön genug waren – die Gassen, auf die sie von einem Strizzi als Dirnen geschickt wurden. Und waren sie erst einmal in den Hurenhäusern oder Gassen, strebten sie – wie sie meinten – ganz nach oben, danach, nicht vielen Männern, sondern nur einem einzigen zu Diensten zu sein, einem möglichst reichen Mann, der sie beschenkte. Sie träumten von schönen Kleidern und prächtig ausgestatteten Kemenaten, von Düften und Pudern und weichen Betten und Kerzenschein, und vor allem von dem Gefühl, es geschafft zu haben, eine Konkubine, eine Fürstin der Huren, zu sein.
    Wie hätten sie es besser wissen können? Sie sahen nur das, was sie sehen wollten, sahen die herausgeputzte Fassade, aber nicht den Schmutz und die kalte Traurigkeit, die sich dahinter verbargen. Im schlimmsten Fall geriet man als Konkubine an einen jähzornigen Schläger oder einen rücksichtslosen Liebhaber, der seine schlechten Gefühle mit aller Heftigkeit auslebte, der zur Tür hereinkam, einem die Kleider vom Leib riss, einen auf den Boden warf und der einen danach ohne ein Wort zurückließ. Der sich nicht um die Tränen in den Augen der Konkubine kümmerte. Der sie zwang zu lächeln, während er zuschlug. Und im besten Fall geriet die Konkubine an einen Mann, der sich eine Konkubine zulegte, um ihren Körper und ihre Kraft auszubeuten. Es ging darum, dass er sich wohlfühlte, dass sie ihm seine Wünsche erfüllte, ihn seine Sorgen vergessen ließ, ihn verwöhnte. Anfangs meinte man, das sei
nicht schlimm, damit könne man leben, aber wenn das erste Jahr, das zweite Jahr, das dritte Jahr verstrichen waren, wurde dieser Zustand unerträglich. Die eigenen Wünsche zählten nicht, die eigene Meinung war nicht gefragt, und egal, ob man Kopfschmerzen, Bauchschmerzen oder Sorgen hatte, ob man sich elend fühlte oder wegen irgendetwas traurig war – man musste immer für ihn da sein, wenn er es wollte, musste lächeln, ihn streicheln, ihm die Brust darbieten. Solche Männer merkten nicht einmal, dass sie sich selbstsüchtig benahmen, nein, sie glaubten sogar, sich anständig zu verhalten, weil sie einem hier und da ein Geschenk mitbrachten und eine hübsche Wohnung bezahlten. Irgendwann wurde jedes Treffen mit einem solchen Mann für die Konkubine zur Folter, so als würde sie der Millionste Essigtropfen auf die gleiche, mittlerweile wunde Stelle der Haut treffen.
    Aber gleichgültig, an welchen Mann die Konkubine geriet, das Ende war immer ähnlich. Der Mann verstieß sie, weil sie ein Kind bekam oder weil sie nach der vierten Abtreibung körperlich erledigt oder an der Syphilis erkrankt oder weil sie ihm zu alt geworden war... Eine Fürstin der Huren wurde über Nacht gestürzt

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