Die Hure von Rom - Walz, E: Hure von Rom
meist schwach. Und ein solcher Mann verfiel ihr.«
Die Signora räumte einige Becher und Kelche vom Tresen und tauchte sie in eine kupferne Spülwanne. Ohne dass Antonia oder Carlotta hätten nachfragen müssen, sagte sie: »Ich spreche von Laurenzio Massa, dem Kammerherrn des damals neu gewählten Papstes. Ich werde nie vergessen, wie die beiden sich das erste Mal gegenüberstanden. Massa war vorher noch nie im Teatro gewesen, und ich wette, es war überhaupt sein erster Besuch in einem Hurenhaus. Maddalena stand dort, wo ihr beide jetzt steht, am Tresen. Ein kleiner, dicker Mann watschelte wie eine Mastgans herein. Er sah sie – und schon war es um ihn geschehen. Ich erkenne, ob ein Mann nur begeistert ist oder ob er sich verliebt. Massa hat sich verliebt.«
»Und Maddalena?«, fragte Carlotta.
»Sie hat sich natürlich mit ihm eingelassen, so wie sie sich zuvor mit anderen eingelassen hat. Dafür wurde sie immerhin bezahlt. Sie waren sieben- oder achtmal hier im Haus zusammen. Aber sie hat nichts für ihn empfunden, im Gegenteil, sie konnte ihn nicht leiden.«
»Hat er sie schlecht behandelt?«
»Der? Der trug sie auf Händen, soweit ihm seine Mittel das erlaubten. Ich hatte mich von Anfang an gefragt, wie ein Mönch wie Massa, auch wenn er Kammerherr des Pontifex ist, sich das Teatro leisten konnte. Unter dreihundert Denaren geht hier keiner raus. Massa ist kein Bischof, er bekommt keine Pfründe. Und von einer reichen Familie namens Massa habe ich auch noch nie gehört. Er tat, was er konnte, aber das war nicht genug. Sie hat sich ihm nie völlig hingegeben, hat immer etwas zurückbehalten. Jeden Kuss hat er sich erbetteln müssen.«
In die Stimme der Signora schlich sich zunehmend ein stolzer Unterton ein.
»Ich hatte mich nicht in ihr getäuscht. Sie war hochintelligent und hat jede meiner Lektionen haargenau umgesetzt. Je kühler sie sich gab, je mehr sie sich ihm entzog, desto anhänglicher und untertäniger wurde er. Sie spielte mit ihm wie eine Katze mit der Maus. Natürlich ließ sie ihn bei der ersten Gelegenheit fallen. Es dauerte nicht lange, und ein anderer bot mehr für sie: Kardinal Quirini. Er kam zu mir und fragte speziell nach Maddalena.«
»Er hatte also schon von ihr gehört?«
»Wenn man den Gerüchten glaubt, hatte Massa im Vatikan mit seiner schönen Geliebten geprahlt. Quirini hörte davon. Er und Massa sind sich offenbar spinnefeind, was sein anfängliches Interesse für die ihm noch unbekannte Maddalena erklären dürfte. Er wollte seinem Konkurrenten eins auswischen, und da ein Kardinal sich meist besser stellt als ein Kammerherr... Mir war das nur recht. Maddalena wurde dann tatsächlich Quirinis Konkubine und zog aus dem Teatro aus, in ein Dachzimmer, das Quirini ihr bezahlte, in der Via Santa Maria Minerva, gegenüber vom Pantheon. Es war nett eingerichtet, ich habe Maddalena dort ein paar Mal besucht. Aber
ich hatte Maddalena nicht jahrelang ausgebildet, damit sie sich mit einem Zimmer zufriedengab. Es war klar, dass Quirini, wenn er ihr nicht mehr böte, sie über kurz oder lang verlieren würde. Sie hatte das feste Ziel, mit spätestens dreißig Jahren eine reiche, unabhängige Frau zu sein. Und seit sie mit Papst Julius liiert war, sah es so aus, als würde sie dieses Ziel erreichen. Sie stand ganz oben, dort, wo sie hingehörte.«
Die Signora wurde nun vollständig vom Stolz der Schöpferin erfasst, die alle Träume für ihren Schützling erfüllt sieht. Für einen Moment schien Maddalena vor dem geistigen Auge der Signora aufzuerstehen und ein glückliches Leben zu leben.
Doch dieses Bild brach urplötzlich in sich zusammen, als Carlotta sagte: »Jemand scheint das anders gesehen zu haben.«
Signora A wirbelte die Kelche im Spülwasser herum. »Wäre sie bei dem geblieben, was ich ihr beigebracht habe... Aber sie konnte nicht genug kriegen, und sie wurde ungeduldig. Ich hatte den Eindruck, dass sie alles satthatte und fortwollte. Deshalb, nehme ich an, hat sie sich auf diese Geschäfte eingelassen.«
»Welche Geschäfte?«, fragte Carlotta.
»Sie hat immer nur vage Andeutungen gemacht. Ich werde den Verdacht nicht los, dass diese Porzia etwas damit zu tun hatte.«
»Wer ist Porzia?«
»Eine Dirne, eine Straßendirne in Trastevere, ein Trampel von Weib, ungebildet und ordinär. Und das Schlimme ist, dass Maddalena sie hier im Teatro kennen gelernt hat.«
»Wie das?«
»Diese Porzia kam manchmal hier vorbei. Ich gebe den Stra ßendirnen von der anderen
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