Die Huren des Apothekers
seinen
Händen, er knickte in den Knien ein und sein Rücken krümmte sich
unter heftigem Husten. Elße sprang auf und rannte zu ihm.
»Frank, bitte, sag, dass es dir gut geht!«
So kurz die Strecke auch war, die sie zu ihm
rennen musste, sie glaubte, ihr Herz müsse zerspringen. Frank
stützte sich mit den Fäusten auf den Boden, der Husten erschütterte
seine Leib. Sie fiel neben ihm auf die Knie, wagte aber nicht, ihn
anzufassen. Als er den Kopf hob, um sie anzusehen, erkannte sie, wie
totenbleich er aussah.
»Bitte …« Jerg lag auf dem Rücken, zwei
Schritte entfernt, und hob schwächlich eine Hand. Elße wandte ihren
Blick zu ihm und erstarrte. Der rechte Arm war dicht unter der
Schulter abgetrennt und sprudelnd schoss Blut aus dem Stumpf.
Vergeblich versuchte Jerg, die Wunde zu erreichen, aber immer wieder
fiel seine Hand herunter. Noch während Elße überlegte, wie sie ihm
helfen könne, sackte sein Kopf herab und er starrte in den
Nachthimmel. Entsetzt fiel ihr Blick auf Contz. Er lag dicht neben
Jerg, auch er in einer Lache Blut. Zuerst wusste sie nicht, was an
diesem Anblick so furchtbar falsch war, bis sie bemerkte, dass der
Kopf in eine andere Richtung wies als die Brust. Franks Hieb hatte
den Knecht enthauptet.
Das Blut rauschte so laut in Elßes Ohren, dass
sie fast die leisen Worte Franks überhört hätte. Weiße Fünkchen
tanzten vor ihren Augen, von außen drang Dunkelheit auf sie ein.
Geräuschvoll schlug sie die Zähne zusammen und straffte den Rücken,
bis sie wieder Luft bekam.
»Wendelin«, flüsterte Frank.
Das musste der Unbekannte sein, denn diesen Namen
hatte er vorher genannt. Elße vergewisserte sich, dass Frank nicht
gleich umfallen würde, und kroch auf Knien die zwei Schritte zu ihm,
wobei Blutspritzer vom Gras auf ihren Rock schmierten. Dieser
Wendelin war noch ein Junge. Sein strohblondes Haar lag wie ein
Heiligenschein um sein Gesicht, das völlig mit Blut bedeckt war.
Eine Wunde am Haaransatz blutete noch immer heftig und beide Augen
waren zugeschwollen. Auch aus seinem offenstehenden Mund floss Blut.
Elße warf Frank einen hilflosen Blick zu, der sie beobachtete und
ihr beruhigend zunickte. Ihm schien es nicht so schlecht zu gehen,
also kümmerte sie sich um Wendelin. Der Rock war durch das Blut
verdorben, das ging nie wieder aus, also packte sie den Saum und riss
einen Lappen ab, den sie auf die Kopfwunde presste. Wendelin wimmerte
leise und wehrte halbherzig ihre Hand ab. Mit sanftem Nachdruck und
leisen Worten beruhigte sie ihn. Schließlich richtete er sich auf
und griff unruhig um sich. »Ich kann nicht sehen!«, rief er.
Elße ergriff seine tastenden Hände und hielt sie
fest. »Keine Angst, das wird schon wieder! Die Kerle haben dir auf
die Augen geschlagen, dass sie zugeschwollen sind. Bald geht es
wieder besser.«
Der Junge klammerte sich an sie, als ob er am
Ertrinken sei, und murmelte vor sich hin, wobei Elße nicht viel
verstand. Seine Zunge musste geschwollen sein, genau wie die
aufgeschlagenen Lippen.
Frank richtete sich auf und kam heran. »Guter
Wendelin«, sagte er und strich ihm über den Kopf. Dankbar verzog
der Junge seine Lippen und lächelte, wobei ihm wieder Blut aus dem
Mund lief. Frank wandte sich zu Elße. »Er hat mir mein Schwert
gebracht. Die ganze Strecke vom Richtsberg muss er gerannt sein. Wäre
er nur um ein Weniges langsamer gewesen …«
Es war ihr, als wenn eine große Faust ihr Herz
zusammendrückte. Wäre er nur um ein Weniges langsamer gewesen, dann
hätten sie Frank getötet und Elße … wahrscheinlich auch.
Allerdings erst, nachdem … Sie wollte nicht mehr weiterdenken. Über
den Jungen hinweg schlang sie ihre Arme um Frank und barg ihr Gesicht
an seiner Schulter, um hemmungslos zu weinen. Es war vorbei, konnte
sie nur immer und immer wieder denken. Es war vorbei.
Aber was war vorbei? An ihrer Situation hatte sich
nichts geändert. Abgesehen davon, dass sie jetzt gar keinen Platz
mehr hatte, wo sie unterkriechen konnte. Sie heulte noch lauter, so
sehr sie sich auch bemühte, ruhig zu werden. Zärtlich strich Frank
ihr über den Rücken. Elße schloss die Augen und stellte sich vor,
alles wäre in Ordnung, sie säßen zusammen im Gesindehaus und
hätten einander lieb. Das Schluchzen ließ nach, die Tränen rannen
lautlos über ihre Wangen, aber nur noch, weil sie sich so
verzweifelt eine Idylle wünschte.
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Mechthild schrie und kreischte wie eine
griechische Harpyie, und genauso hässlich verzog sich dabei ihr
Gesicht.
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