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Die Huren des Apothekers

Die Huren des Apothekers

Titel: Die Huren des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stöckler
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nachvollziehen als sonst jemand. »Magdalene«, sagte Luzia leise, »wenn du jetzt Elße anbietest, bei uns unterzukommen, machst du dir Frau Mechthild zur Feindin.«
    Magdalene räusperte sich, dann nickte sie. »Da hast du recht, Schwägerin. Trotzdem möchte ich Elße und auch jedem anderen der bedauernswerten Mädchen zusichern, dass sie jederzeit eine Mahlzeit bei uns bekommen können.«
    Kurz überschlug Luzia im Kopf die Einträge im Haushaltsbuch, dann stimmte sie zu. Trine wirtschaftete so, dass jederzeit eine Gesellschaft stattfinden konnte – was Lukas auch schon oft in Anspruch genommen hatte. Unvermittelt lud er Professoren mit ihrem Anhang ein und vergaß es im nächsten Augenblick. So standen die Kollegen überraschend vor der Tür und mussten bewirtet werden. Seit dem dritten Mal unterstützte Luzia Magdalene bei der Zusammenstellung eines Weinkellers und einer reichen Speisekammer. Ihre Pläne schlossen das Gesindehaus ein, in welches sie ein dienstbares Ehepaar setzen wollte, das im dazugehörigen Garten Federvieh und ein Schwein halten könnte, welches sich im Wald mit Eicheln mästete. Dann wäre überraschender Besuch kein Problem mehr.
    Diese Mädchen waren mit Grütze und altbackenem Brot zufrieden, also nickte selbst Trine mit einem Lächeln.
    »Wenn es die Nachbarin nicht erfährt«, schränkte Luzia ein.
    Elße beeilte sich, dankbar zu knicksen. »Selbstverständlich«, bestätigte sie. »Habt Dank, Ihr Damen.«
    Luzia überkreuzte die Arme vor der Brust und spürte, wie ihr Zorn langsam abflachte. »Für einen der Teller, auf denen wir gestern aßen, könnte jedes der Mädchen für ein Jahr verköstigt werden.«
    »Auch wenn alle goldenen Kelche zu Korn gemacht würden, sie könnten nicht die hungrigen Mäuler der Welt sättigen.« Elße sprach mit niedergeschlagenem Blick und leise, aber ihre Worte berührten etwas in Luzia, das sie nicht bestimmen konnte. Hatte denn nicht auch sie einen Weg gewählt, der ihren eigenen Magen füllte, nicht aber die Bäuche der Hungernden? Durch ihre Heirat mit einem Edelmann wählte sie ein Leben ohne Mühsal und Belastungen, nur verantwortlich für ihr eigenes Wohl und das ihres Gatten. Doch auch, als sie noch selbst für ihren Lebensunterhalt verantwortlich war, hielt sich ihre Wohltätigkeit in Grenzen. Sicher, sie hatte nie einem Armen geschadet, immer nur von den Reichen genommen, denen es kaum auffiel, wenn etwas fehlte, aber dass sie wie der Heilige Martin ihren letzten Mantel geteilt hätte, das war nie vorgekommen.
    Nur eines konnte sie nicht ausstehen: Scheinheiligkeit. Wie ließ sich die Frau Nachbarin feiern ob ihrer Barmherzigkeit und ihrer Güte, dabei schufteten die ihr anvertrauten Mädchen schwer und hungerten dabei!
    Gerade wollte Luzia ihren Mund auftun und schimpfen, da wurde sie von Gerumpel und lauten Rufen unterbrochen. Eines der Fenster in der Bibliothek stand offen und von draußen schallten Geräusche herein. Elße war wohl nicht bereit, weitere Einzelheiten über ihren Aufenthalt bei Frau Mechthild zu verraten, denn als der Lärm die Aufmerksamkeit ihrer Gastgeberin ablenkte, knickste sie tief und zog sich zurück.
    Kurz wollte Luzia ihren Unmut darüber äußern, aber dann zog sie das Geschehen vor dem Fenster in seinen Bann. Von hier aus sah man die Flanke des Nachbarhauses, an dem vorbei etliche Karren quollen. Anscheinend sammelten sich an der Front so viele Wagen, dass es keinen Platz mehr dafür gab. Verwegene Gestalten tummelten sich auf den abgedeckten Ladeflächen, hüpften wie Gämsen darauf herum oder zeterten dicht neben den Rädern. Über das Sammelsurium der verschiedensten Erscheinungen konnte sie nur staunen – selbst eine Theatertruppe bekam nicht so viele Charakterköpfe zusammen. Inständig wünschte sie sich Lukas‘ Vergrößerungsinstrument herbei, denn aus dieser Entfernung erkannte sie kaum Einzelheiten. Dort sprang ein Kerl mit mächtigem Schnauzbart und den weiten Hosen eines Ungarn vom Bock eines schwerfälligen Ochsenkarrens, daneben tänzelte ein zartgliedriges Reitpferd unter seinem mit einer Brustplatte geschützten muselmanischen Reiter mit spitzem Helm, umhüllt mit einem Turban. Die Räder eines breiten Planwagens sackten in Frau Mechthilds Rosenbeete und der schwere Gaul davor knusperte unverzüglich an der sorgfältig getrimmten Hecke.
    »Das muss die Karawane sein, die der Apotheker gestern ankündigte.« Magdalene hatte ihren Sitz verlassen und stand jetzt neben Luzia am Fenster. Sie

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