Die Hurenkönigin (German Edition)
»Bedauerlicherweise müsst ihr das Frauenhaus verlassen, das verlangt die Frauenhausordnung, und dagegen können wir leider nichts machen. Aber die Hurengilde wird euch behilflich sein, eine Unterkunft zu finden, und so lange für euch sorgen, bis ihr wieder ein Auskommen habt. Auch eure Arzt- und Arzneikosten werden aus unserer gemeinsamen Schatulle bestritten. Ihr müsst also keine Not leiden und werdet ein Obdach haben …«
»Ein Obdach vielleicht, aber kein Zuhause«, grummelte Josef mit schwerer Zunge. Er hatte seinen Kummer mit Wein bekämpft. »Ich bin jetzt seit über zehn Jahren hier, und … auch wenn ihr mir manchmal ganz schön auf die Nerven geht, wüsste ich nicht, wo ich lieber wäre.«
Ursel war ergriffen. »Josef, du kannst jederzeit herkommen. Wir sind immer für dich da. Und ich werde dir auch behilflich sein, eine Arbeit zu finden. Ein starker, kräftiger Kerl wie du, das wär doch gelacht, wenn wir den nicht wieder in Lohn und Brot bringen«, sagte sie tröstend und wandte sich den beiden Huren zu. »Mit eurer Krankheit werdet ihr leben müssen. Das wird nicht leicht sein. Aber wir lassen euch nicht im Stich.«
Die beiden Hübscherinnen und der Frauenhausknecht blickten die Hurenkönigin dankbar an.
»So, und jetzt müssen wir über Rosi reden«, erklärte die Zimmerin und sah Josef ernst an. »Sag mir ehrlich: Wer von Rosis Freiern könnte dem Mädel so etwas Schreckliches angetan haben? Sprich frank und frei, auch wenn es nur ein vager Verdacht ist. Das gilt auch für alle anderen. Sagt es bitte, wenn ihr irgendeine Vermutung habt, jeder Hinweis, egal wie abwegig, kann wichtig sein. Wir müssen alles dransetzen, damit diese Bestie gefasst wird.« Die Miene der Hurenkönigin verfinsterte sich. »Ich habe gesehen, wie er sie zugerichtet hat. Ich … ich kann kaum noch an etwas anderes denken …« Für einen Moment versagte ihr die Stimme.
»Ich … habe mich betäubt, weil ich es nicht mehr ertragen konnte«, murmelte sie nach einer Weile. »Doch dann habe ich mich wieder zusammengerissen und beschlossen, alles dranzusetzen, dass Rosis Mörder gefunden wird. Und dann werde ich ihm höchstpersönlich die Eier abschneiden.« Die Augen der Hurenkönigin funkelten böse.
»Recht so, Meistersen! Ich helfe Euch dabei!«, rief die alte Irmelin und schlug mit der Hand auf die Tischplatte.
»Ich auch!«, erklärte die Hure Isolde entschlossen, was unter den Frauen für Erstaunen sorgte. Die Gräfin, wie sie wegen ihrer hochmütigen Art von allen genannt wurde, war bei ihren Kolleginnen wenig beliebt. Isolde gab sich bevorzugt mit Standespersonen ab, die sich von ihr züchtigen und erniedrigen ließen. Sie erzielte im Frauenhaus mit Abstand die höchsten Einkünfte.
Die Hurenkönigin war ebenfalls verblüfft über Isoldes Bekundung. »Gut so. Wenn wir alle zusammenhalten, dann kriegen wir den Kerl auch«, sagte sie zuversichtlich.
»Aber das ist doch eigentlich die Aufgabe der Stadtpolizei?«, warf die Vogelsberger Änne ein.
Die Hurenkönigin runzelte die Stirn. »Bestimmt wird sich die Polizei darum kümmern – das will ich doch schwer hoffen. Aber die weiß ja vieles nicht, was wir wissen. Und daher sollten wir uns schon einmal austauschen, damit die Suche in die richtige Bahn gelenkt wird.«
Die alte Irmelin raunzte die junge Hure an: »Du hast die Rosi ja auch nicht so gut gekannt wie wir, weil du hier noch neu bist. Und dann hast du nichts Besseres zu tun gehabt, als dir gleich ihren Kerl ins Bett zu holen. Dass es dir dann egal ist, ist doch klar.«
»Das stimmt nicht, mir ist das nicht egal!«, verteidigte sich Änne murrend.
»Es darf dir auch nicht egal sein, wer deine Gildeschwester ermordet hat. Denn schließlich könntest du die Nächste sein«, bemerkte die Zimmerin trocken. Die junge Hübscherin zuckte erschrocken zusammen, und auch einige der anderen blickten angstvoll.
»Ich will euch keine Angst machen, Mädels, aber ihr müsst auf euch achtgeben! So, wie die Rosi zugerichtet war, muss es sich bei dem Mörder um einen grausamen Frauenquäler handeln, der sich möglicherweise bei ihr angesteckt hat, denn in ihre Stirn war das Wort Lues geritzt. Dass Rosi in ein Büßergewand gekleidet war und am Gedenktag von Maria Magdalena aufgefunden wurde, weist für mich darauf hin, dass der Täter die Tat von langer Hand geplant hat.« Die Hurenkönigin warf Ingrid und Bernhard einen nachdenklichen Blick zu. »Irgendwie werde ich den Verdacht nicht los, dass diese Moralapostel,
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