Die Hurenkönigin (German Edition)
holt Ihr Euch am Montag Nachschub in der Apotheke. Und seid nicht nachlässig, sorgt dafür, dass die Stellen immer gut bedeckt sind.« Während Doktor Schütz Josef verarztete, hielt er inne und sah ihn eindringlich an.
»Was ganz wichtig ist, und daran müsst Ihr Euch unbedingt halten: kein Geschlechtsverkehr mehr! Unter gar keinen Umständen, habt Ihr mich verstanden? Auch kein Schäkern oder Küssen. Die Krankheit ist nämlich sehr ansteckend«, erklärte er nachdrücklich.
Josef war wie vor den Kopf gestoßen. »Für wie lange denn?«, fragte er.
Doktor Schütz erwiderte: »Mindestens so lange, bis die Latenzzeit erreicht ist. Das heißt, bis die Krankheit zum Stillstand gekommen ist. Das dauert etwa vier bis sechs Monate.«
»Großer Gott!«, rief Josef bestürzt und schlug sich die Hände an den Kopf.
Die Hurenkönigin öffnete die Augen und spürte einen bohrenden Schmerz hinter der Stirn. In den Schläfen pulsierte das Blut so heftig, dass es in den Ohren rauschte. Ihr entrang sich ein Stöhnen, und sie tastete nach dem Theriak, doch ihre Hand griff ins Leere. Ächzend wollte sie sich aufrichten, um genauer nachzusehen, da kauerte Bernhard sich neben sie auf die Matratze und legte den Arm um sie.
»Du brauchst gar nicht weiter zu suchen, das Teufelszeug habe ich weggeschüttet«, erklärte er resolut. »Hier ist Wasser, trink nur, das wird dir guttun.« Bernhard von Wanebach reichte Ursel einen Trinkbecher, den sie in wenigen Zügen leerte. Sie fühlte sich wie gerädert und war noch so benommen, dass es ihr schwerfiel zu sprechen. Ganz allmählich kehrten sie wieder in ihr Gedächtnis zurück, die Dämonen, die der Schlaf daraus verbannt hatte – und sie raubten ihr fast den Verstand.
»Was … was für ein Tag ist heute?«, stieß sie hervor.
»Samstag, mein Herz. Du hast den ganzen Tag geschlafen.«
Ursel richtete sich hektisch auf. »Wie spät ist es?«
»Es hat vorhin zur fünften Stunde geschlagen.« Bernhard musterte sie besorgt und strich ihr die verklebten Haarsträhnen aus der Stirn.
Die Apotheken hatten nur bis sechs geöffnet! Für die Hurenkönigin gab es nun kein Halten mehr. Unter Aufbietung aller Kräfte schwang sie sich aus dem Bett und wankte zum Stuhl, wo ihr zerknittertes gelbes Gewand lag. Während sie sich mit fahrigen Händen ankleidete, murmelte sie in Bernhards Richtung, der sie beunruhigt anblickte: »Ich … muss noch mal weg!«
Der Geliebte sah sie beunruhigt an. »Wo willst du denn hin?«, fragte er, sprang auf und eilte auf sie zu. Ursel konnte in seinen Augen lesen, dass er ahnte, was sie vorhatte. Sie blieb ihm die Antwort schuldig und steckte sich stattdessen nachlässig die Haare hoch. Als sie in die Schuhe geschlüpft war und zur Tür hasten wollte, stellte Bernhard sich ihr in den Weg und hielt sie am Arm fest.
»Du rennst jetzt nicht ins Apothekerviertel!«, befahl er mit einer Schärfe, wie sie Ursel nur selten bei ihm erlebt hatte. Sie suchte sich aus seinem Griff zu winden, doch er umklammerte ihr Handgelenk so heftig, dass es weh tat.
»Lass mich los!«, rief sie aufgebracht. »Ich dreh sonst durch, wenn ich das Zeug nicht bald kriege … Es ist alles so schrecklich!«
»Bitte, Ursel, komm doch wieder zur Vernunft! Natürlich ist das grauenhaft, was der Rosi widerfahren ist. Aber du kannst dich doch jetzt nicht nur noch betäuben! Das ist doch kein Ausweg …« Bernhards Stimme bebte vor Aufregung. »Bitte bleib bei mir und tu das nicht! Ich helfe dir, gemeinsam stehen wir das durch.« Er hatte seine Arme um sie gelegt und drückte sie fest an sich.
»Das … das kann man nicht durchstehen! Niemand kann das!«, schrie Ursel ganz außer sich, entwand sich seiner Umarmung und stürzte zur Tür.
»Ursel, wenn du jetzt gehst, sind wir geschiedene Leute!«, rief Bernhard zornig.
Die Hurenkönigin war schon an der Treppe und hielt inne. Nur selten kam es vor, dass der ausgeglichene und in sich gekehrte Gelehrte derart wütend wurde. Daher nahm Ursel seine Drohung auch nicht auf die leichte Schulter. Unversehens strömten ihr die Tränen aus den Augen. Mein Liebster, mir ist nicht mehr zu helfen!, dachte sie und hastete entschlossen die Stufen hinunter. Sie wollte nur noch vergessen, das war das Einzige, was für sie zählte.
»Ursel, warte, ich muss unbedingt mit dir reden!«, vernahm die Hurenkönigin plötzlich die Stimme von Grid, die aus dem Schankraum getreten war und auf sie zukam. Doch ohne ein weiteres Wort riss die Zimmerin die Haustür
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