Die Hurenkönigin (German Edition)
Abmahnung«, flüsterte sie ihr zu und wandte sich in versöhnlichem Tonfall an die Siechenmagd: »Vielleicht genügt es ja, wenn Ihr die Lauge noch ein wenig verdünnt, damit es nicht mehr so brennt.«
Die Nonne blickte entwaffnet. »Meinetwegen. Aber zu sehr verdünnen kann ich auch nicht, sonst wirkt es nicht mehr.« Sie schüttete etwas heißes Wasser in den Bottich und füllte erneut die Schweineblase. Ehe sie die Sonde wieder einführte, erklärte sie mit Blick auf die Wiener Lisbeth in gemäßigterem Tonfall: »Brennen wird es schon noch. Und das muss es auch, damit es richtig sauber wird. Ihr müsst Euch also etwas zusammenreißen.«
Was die Angesprochene, der vor Bedrängnis der kalte Schweiß ausgebrochen war, schließlich auch tat. Nachdem die Scheide gespült worden war, ergriff die Nonne eines der löffelartigen Instrumente, führte es ein und untersuchte die Vagina der Hübscherin.
»Scheint alles in Ordnung zu sein«, bemerkte sie knapp. »Ihr könnt wieder aufstehen!«
Mit sichtlicher Erleichterung kam die Wiener Lisbeth der Aufforderung nach.
Schwester Theodora ließ sich von der Lohnsetzerin Feder und Tinte bringen und beugte sich wieder über die Namensliste. Nachdem sie hinter Lisbeths Namen einen Haken gemacht hatte, las sie vor: »Isolde Bangert. Bitte frei machen und auf den Tisch legen!«
Im Raum entstand Unruhe. In dem allgemeinen Wirrwarr war Isoldes Abwesenheit bislang gar nicht aufgefallen. Bemerkungen wie »Die ist nicht da« und »Wo kann sie nur sein?« waren zu vernehmen. Auf den Gesichtern der Hübscherinnen zeigte sich Betroffenheit, die Miene der Zimmerin jedoch war höchst besorgt. Der Hurenkönigin schwante Schreckliches. Ohne einen Ton zu sagen, stürzte sie aus der Stube und durchsuchte das ganze Haus nach Isolde. Nachdem sie die Gräfin nirgendwo gefunden hatte, hastete sie sogleich zum Rathaus, um Meldung zu erstatten.
Nachdem die Hurenkönigin verschwunden war, beugte sich Schwester Theodora über die Namensliste und machte ein paar Notizen.
Verstohlen beobachtete die schlaue Grid die Ordensfrau. Schwester Theodora war ihr ebenso zuwider wie den anderen Huren. Doch im Gegensatz zu Ursel, die ihr Herz auf der Zunge trug, verstand es die schlaue Grid vortrefflich, sich ihre Gefühle nicht anmerken zu lassen. So konnten ihre Gegner sie nur schwer einschätzen und waren von ihrem Gleichmut häufig verunsichert – was Ingrid durchaus gelegen kam.
Als Schwester Theodora die Lohnsetzerin aufforderte, ihr an Ursels Stelle zu assistieren, verzog Ingrid keine Miene und folgte gewissenhaft ihren Anweisungen.
»Ich kann Euch die Namen auch vorlesen«, bot sie der Ordensfrau an.
Schwester Theodora stimmte zu. »Ihr könnt lesen?«, fragte sie erstaunt.
»Ja«, erwiderte Ingrid, »und auch schreiben. Die Namenslisten wurden von mir angefertigt.«
Die Schwester nickte anerkennend und fuhr mit der Untersuchung fort.
Als die Reihe an die schlaue Grid kam, erklärte sie der Schwester mit aufrichtigem Blick, sie habe ihre stille Woche.
Schwester Theodora notierte dies auf der Liste und murmelte: »Ist recht. Dann untersuche ich Euch beim nächsten Mal.«
Nachdem die Visitationen abgeschlossen waren, bedankte sich die Nonne bei der Lohnsetzerin für ihre Unterstützung. »Das habt Ihr gut gemacht«, äußerte sie wohlwollend.
Steck dir’s sonst wohin!, dachte Ingrid bei sich und schenkte der Ordensfrau ein freundliches Lächeln.
Sobald sich Schwester Theodora mit einem »Gelobt sei Jesus Christus« von den Frauenhausbewohnerinnen verabschiedet hatte, nahm die schlaue Grid die Namenslisten und stürmte die Treppe hinauf in ihre Kammer, wo sie rasch den Zettel mit der Aufschrift »Hic habitat peccatum« und das an Bernhard gerichtete Schriftstück aus einer Ledermappe holte. Sorgfältig verglich sie die Schriftzüge der anonymen Botschaften mit den Einträgen auf den Namenslisten. Es bestand kein Zweifel: Die Notiz hinter Isoldes Namen mit dem Wortlaut »Ist der Untersuchung unentschuldigt ferngeblieben« und der Eintrag »Hat sich unerlaubt von der Untersuchung entfernt« , der sich auf die Hurenkönigin bezog, zeigten eindeutig das gleiche Schriftbild wie die beiden Pamphlete. Schwester Theodora hatte die anonymen Briefe geschrieben!
Ingrid spürte Wut in sich aufsteigen, und ihre Gedanken überschlugen sich. Für geraume Zeit saß sie unbeweglich an ihrem Schreibpult und dachte nach.
Als es wenig später an der Tür klopfte und die Hurenkönigin in ihr Zimmer trat, hatte
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