Die Hurenkönigin (German Edition)
tun sich oft auf …«
Wie durch einen dicken Kokon drangen die Donnerschläge zu Isolde durch, und es kostete sie unendliche Mühe, die Augen aufzuschlagen. Die Wandfackeln waren alle erloschen. Mit angehaltenem Atem lauschte sie in die Dunkelheit. Waren sie noch da, ihre Peiniger? Hielten sie sich vielleicht irgendwo hier unten verborgen, um gleich erneut über sie herzufallen? Die panische Angst vor weiteren Qualen ließ ihr fast wieder die Sinne schwinden.
Seit sie in dieser Hölle war, war Isolde jedes Zeitgefühl abhandengekommen. Es gab nur noch den Schmerz und die lächerliche Hoffnung, ihm entkommen zu können. Doch in ihr wuchs die grausame Gewissheit, dass erst der Tod sie von ihrem Leiden erlösen würde. Mit jeder Faser ihres Herzens sehnte sie ihn herbei, seit jenem Moment, als sie die Aussichtslosigkeit ihrer Lage erkannt und begriffen hatte, dass sie von ihren Peinigern keine Gnade erwarten konnte.
Es gab keinen Ausweg, kein Entrinnen. Ihre Arme und Beine waren mit Eisenketten an der Wand fixiert. Selbst wenn sie nicht gefesselt gewesen wäre, hätte sie doch längst nicht mehr die Kraft, einen Fluchtversuch zu wagen oder ihrem Leben selbst ein Ende zu setzen. Sie war einfach zu schwach. Die grauenhaften Schmerzen verschlangen ihre ganze Lebenskraft. Alles war wie ein schrecklicher Alptraum, aus dem sie nie wieder erwachen würde. Ihre Fußsohlen und Beine taten höllisch weh. Das Letzte, an das sie sich erinnern konnte, war, dass ihr Folterknecht sie an den Handgelenken mit einer Seilwinde bis dicht unter die Gewölbedecke hinaufgezogen hatte, so dass ihr Körper etwa zwei Mann hoch über dem Kellerboden baumelte. Dann hatte er Holz und Reisig herbeigetragen und unter ihr ein kleines Feuer entzündet.
»Wir lassen diese Gans jetzt so lange braten, bis sie gar ist!«, hatte die Teufelin befohlen. Bei Isoldes Schmerzensschreien war sie in schrilles Gelächter ausgebrochen, das einfach nicht mehr enden wollte.
Irgendwann hatte Isolde das Bewusstsein verloren.
In der Männerfreundschaft zwischen Bernhard von Wanebach und Gerold Schildknecht spielten ausschließlich geistige Belange und gelehrte Disputationen eine Rolle, persönliche Befindlichkeiten wurden weitgehend ausgespart. Die beiden Männer waren trotz aller Verbundenheit in ihrer Lebensführung zu unterschiedlich.
Bernhards enge Bindung an die Hurenkönigin wurde bei ihren Begegnungen selbstredend nie erwähnt. Nur wenn der Pfarrer so tat, als hätte er von dieser Tatsache keinerlei Kenntnis, war es ihm möglich, mit Bernhard von Wanebach weiterhin Umgang zu pflegen.
Daher zeigte sich Pfarrer Schildknecht an diesem Samstagmittag auch ziemlich irritiert, als der Freund ihm den Fall der ermordeten Rosi darlegte und gleich darauf von einer in jüngster Zeit verschwundenen Hübscherin sprach. »Es führt eine Spur nach Sachsenhausen«, endete Bernhard und musterte den Pfarrer ernst. »Deswegen habe ich dich heute aufgesucht, um deinen Rat einzuholen.«
Pfarrer Schildknecht, der etwa im gleichen Alter wie Bernhard war, diesen aber an Leibesfülle deutlich übertraf, murmelte unsicher: »Was könnte ich in dieser Angelegenheit schon raten? Freilich habe ich von dem grausigen Verbrechen an der Hübscherin gehört. Es ist ja auch noch nicht so lange her, dass man sie gefunden hat …« Mit reservierter Miene stellte er fest: »Aber ich muss wohl nicht erwähnen, dass ich weder die eine noch die andere je gekannt habe. Die Hintergründe dieses Verbrechens erschließen sich mir auch in keiner Weise. Und auch wenn angeblich eine Spur nach Sachsenhausen weist, so führt sie doch gewiss nicht zum Pfarrhaus.«
»Das weiß ich doch, mein Guter. Ich würde dich damit auch nicht behelligen, wenn es nicht von solch existentieller Bedeutung wäre. Das Leben eines Menschen steht auf dem Spiel. Daher möchte ich dir, wenn du gestattest, genauer erläutern, was es mit dieser Spur auf sich hat.«
Bernhard bemerkte, dass der Gesichtsausdruck des Pfarrers immer abweisender wurde und die zwischen ihnen übliche freundschaftliche Haltung zunehmend verlorenging. Er mochte sich davon jedoch nicht beirren lassen und setzte, auch wenn das Schweigen des Freundes Bände sprach, zu einer Erläuterung an: »Der inhaftierte Hausierer hat angegeben, sein Auftraggeber habe einen auffälligen Ring in Form eines Herzens mit sieben Schwertern getragen. Das Schmuckstück sei möglicherweise sehr wertvoll gewesen.« Bernhard warf dem Freund, der scheinbar uninteressiert auf
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