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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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Schweinekopf, dem man zur Dekoration eine Rübe ins Maul gesteckt hatte.
    »Ach Gott, ach Gott!«, ächzte er völlig außer sich und hatte große Mühe, wieder zu Atem zu kommen. »Was haben sie denn mit dem gemacht?«
    Verzweifelt hielt er Ausschau nach etwaigen Polizeibütteln, doch die Gasse war menschenleer. Mit einem Mal rebellierte sein Magen, er ging in die Knie und erbrach sich in krampfartigen Schüben neben dem Leichnam, dessen Körper schlimm verstümmelt war. Panik erfasste Gimpel, und er fing an, lautstark um Hilfe zu schreien.
    Zu seiner Erleichterung waren plötzlich vom benachbarten Römerberg Schritte zu vernehmen, und gleich darauf bog eine wuchtige Gestalt mit Lanze und Pechfackel um die Ecke, in der der Gassenfeger den Nachtwächter Georg Bäcker erkannte.
    »Gott sei Dank«, entfuhr es Gimpel beim Anblick des Mannes. »Komm schnell her, Schorch. Hier licht en Tode!«
    Der Nachtwächter, von allen nur »Schorch« genannt, kam auf ihn zugetorkelt. Als er vor ihm stand, konnte der Gassenfeger seinen Branntweinatem riechen und presste hervor, während er auf das Bündel deutete: »Den haben sie übel zugerichtet. – Ich glaub, ich könnt jetzt auch einen Schnaps gebrauchen.«
    »Heiliche Maria«, stammelte der Nachtwächter beim Anblick der Leiche und nestelte mit zitternden Händen seine Branntweinflasche aus der Manteltasche. Er nahm einen tiefen Zug und reichte sie an den Gassenkehrer weiter.
    »Was hat der denn im Mund?«, murmelte er dann verstört und starrte entsetzt auf das blutige Teil zwischen den Lippen des Toten. »Sieht aus … wie … wie bei einer gestopften Gans!« Gleich darauf musste auch er sich übergeben.
    Als sich der Nachtwächter wieder gefasst hatte, stieß er hervor: »Was machen wir denn jetzt? Die Polizeiwache im Leinwandhaus öffnet erst bei Tagesanbruch, und die Torwächter kommen auch erst, wenn es hell wird. Zur siebten Stunde singe ich den Tag an. Das ist noch fast eine Stunde hin.«
    Anstelle einer Antwort stieß Gimpel nur keuchend den Atem aus. Der Nachtwächter, der merkte, wie schlecht es um seinen Freund bestellt war, reichte ihm erneut die Branntweinflasche. »Komm, trink noch einen, Albrecht, bevor du dem da unten noch Gesellschaft leistest«, raunzte er. Dann besah er sich die Leiche genauer.
    »Des is kein Armer – hat ’ne teure Schaube an und einen Biberhut auf dem Dez. Wahrscheinlich war es Raubmord«, brabbelte er vor sich hin.
    »Nee, nee, des kann ned sei«, wandte der Gassenkehrer ein, dessen Lebensgeister dank des Branntweins langsam zurückkehrten, und wies auf das blutbesudelte Wams des Toten, über dem eine Goldkette hing. »Das Ding hätte sich doch kein Beutelschneider entgehen lassen.«
    »Stimmt!« Der Nachtwächter leuchtete mit der Fackel auf das Schmuckstück, aber im nächsten Moment zuckte er wie vom Blitz getroffen zurück. »Der Frankfurter Adler!«, stieß er hervor. »Das ist eine Amtskette! So was tragen die Ratsherren und die Stadtoberen zu feierlichen Anlässen. – Herr im Himmel, das muss ein Senator sein!« Er wischte sich die Schweißperlen von der Stirn.
    »Kennst du den?«, fragte Gimpel mit belegter Stimme.
    Georg Bäcker zuckte ratlos mit den Schultern. »Ich weiß nicht so genau. Bei der blutigen Visage kann man das so schlecht erkennen.« Er verzog angewidert die Mundwinkel und betrachtete den Toten nachdenklich.
    »Dem sein Schwellkopp kommt mir schon irgendwie bekannt vor«, murmelte er nach einer Weile beunruhigt. »Und der dicke Ranzen … Mensch, Albrecht, das könnt der Uffsteiner sein!«
    »Du meinst den Uffsteiner, der seine Alte immer so verdrischt?«, fragte der Gassenkehrer sensationsgierig.
    Der Nachtwächter nickte und fügte mit grimmiger Miene hinzu: »Ich kenn den doch. Hab schon öfter nachts die Stangenknechte rufen müssen, weil er daheim so ’ne schreckliche Jacht gemacht hat.«
    »Na, das ist ja ein Ding!« Der Gassenfeger wurde ganz aufgeregt. »Soll ich rüber in die Neue Kräme laufen und dem seinen Leuten Bescheid sagen?«
    »Das wirst du schön bleibenlassen! Wir warten jetzt, bis die Büttel da sind, und dann sollen die das machen«, beschied der Nachtwächter seinen Kumpan barsch und nahm noch einen Schluck aus der Pulle.

    Als sich Bürgermeister Reichmann am Dienstagmorgen um die achte Stunde durch das dichte Messetreiben auf dem Römerberg zum Rathaus kämpfte, hätte er am liebsten gleich wieder kehrtgemacht. Er sehnte sich nach seinem behaglichen Alkoven zu Hause, wo er sich von der

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