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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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Hausfrau kalte Wickel und eine heiße Brühe bereiten lassen konnte. Nach dem gestrigen Gelage, das ein so unerfreuliches Ende gefunden hatte, plagten ihn ein bohrender Kopfschmerz und ein rebellierender Magen.
    Doch kaum hatte er die Steintreppe zum Rathaus erreicht, da eilte ihm schon der livrierte Rathausdiener, der ihm sonst immer dienstbeflissen den Portalflügel aufhielt, aufgeregt entgegen. Atemlos suchte er nach Worten, bis er endlich hervorstieß: »Herr Bürgermeister, es gibt schlechte Nachrichten! Der Herr Senator Uffsteiner ist heute Morgen tot aufgefunden worden. Ihr sollt bitte sofort zu Doktor Schütz und Untersuchungsrichter Fauerbach in die Leichenhalle auf dem Peterskirchhof kommen.«
    »Das kann doch nicht wahr sein!«, murmelte Reichmann bestürzt und wurde unversehens kreidebleich.
    Der Dienstmann hakte ihn fürsorglich unter und brachte ihn in die Halle, wo er ihn zu einem Stuhl führte. »Setzt Euch erst mal hin – ich bringe Euch einen Schluck Wasser«, sagte er.
    Damit wollte er davoneilen, als der Bürgermeister in herrischem Ton »Halt!« rief. »Bring Er mir … etwas Stärkeres. Dann hol Er sofort die anwesenden Ratsherren herbei, die sollen mich begleiten.«
    Der Amtsdiener schüttelte betreten den Kopf. »Von den Herren ist noch keiner erschienen, Ihr seid der Erste. Und der Herr Neuhof hat sich entschuldigen lassen. Er muss seiner Frau Schwester in dieser schweren Stunde beistehen.«
    Reichmann nickte. »Das versteht sich von selbst«, erklärte er mit brüchiger Stimme und rang nach Atem. »Hol Er mir einen Schnaps und dann lass Er anspannen. Ich fahre zuerst in die Neue Kräme, um Frau Uffsteiner zu kondolieren, und danach zum Friedhof. Und sorg Er dafür, dass die Senatoren nachkommen, und zwar umgehend!«, fügte er missmutig hinzu. »Klingel Er sie notfalls aus den Betten.«

    In eine dicke Wolldecke gehüllt, saß die zierliche Genoveva Uffsteiner auf einem Lehnstuhl am Kamin. Neben ihr auf einem Beistelltisch stand ein Fläschchen Theriak, das ihr Doktor Armbrüster zur Beruhigung verordnet hatte. Gemeinsam mit ihrem Bruder Anton Neuhof kümmerte sich der Hausarzt um die Bedauernswerte, die die Hiobsbotschaft vom Tode ihres Gatten noch immer nicht fassen konnte.
    Genovevas fragiler Körper zitterte wie Espenlaub, und das verhärmte kleine Gesicht war tränenüberströmt. »Nein, nein, das kann nicht sein!«, stammelte sie ein ums andere Mal in tiefster Verzweiflung und raufte sich das dünne mausgraue Haar.
    Auf der anderen Kaminseite saß mit versteinerter Miene ihre Tochter Gertrud. Anders als die Mutter blickte sie nur mit starren, tränenlosen Augen ins Leere, während sich auf ihren herben Gesichtszügen keinerlei Gemütsregung zeigte.
    Der Bürgermeister, der gerade den Raum betreten hatte, hüstelte höflich und sah erstaunt zu Mutter und Tochter, die kaum gegensätzlicher hätten sein können. Genoveva war klein und zerbrechlich, Gertrud kam nach Größe und Grobschlächtigkeit eindeutig nach ihrem Vater. Was sicherlich einer der Gründe war, dass sie mit fünfundzwanzig Jahren noch immer keinen Mann hatte, ging es Reichmann bei ihrem Anblick durch den Sinn. Er räusperte sich erneut, nahm eine angemessene Haltung an und trat auf die Trauernden zu, um zuerst Frau Uffsteiner, anschließend ihrer Tochter und zum Schluss Anton Neuhof mit Leichenbittermiene zu kondolieren.
    »Ich kann es einfach nicht glauben«, wimmerte die Witwe mit tränenerstickter Stimme und blickte Reichmann aus großen, rotgeweinten Augen fassungslos an.
    »Meine Ärmste«, sagte der Bürgermeister salbungsvoll und schniefte vernehmlich. »Wir alle können es nicht fassen … ein Pfundskerl wie der Claus … Es ist mir unbegreiflich!« Er wandte sich an Anton Neuhof, den Schwager des Verstorbenen, und erkundigte sich mit gesenkter Stimme: »Ist er es wirklich? Ich meine, es könnte ja auch ein Irrtum gewesen sein …«
    Neuhof schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Ausgeschlossen«, murmelte er. »Ich habe ihn selber gesehen, vor etwa einer Stunde, als die Polizeibüttel mich rausgeklingelt haben. Es war Claus, daran besteht nicht der geringste Zweifel.«
    Reichmann schwieg betreten, während Frau Uffsteiner ihr Gesicht in den Händen barg und in lautes Wehklagen ausbrach.
    Über Gertruds erstarrte Züge lief ein Beben. »Er ist tot, Mutter. Finde dich damit ab«, erklärte sie mit einer kalten, metallischen Stimme, die nichts Tröstliches an sich hatte.
    Der Arzt träufelte der Witwe noch etwas

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