Die Hurenkönigin und der Venusorden
Festtagsrobe. Ich glaube, du bist überhaupt die schönste und anziehendste Frau, die ich jemals gesehen habe«, erklärte sie mit kehliger Stimme und streifte Ursel mit einem Blick, aus dem reines Begehren sprach.
So hat mich noch keine Frau angesehen, ging es der Hurenkönigin durch den Sinn, und sie spürte mit einem gewissen Unbehagen, dass sie dieser Blick seltsam erregte.
Alma schien ihre Gefühle zu erraten. Kurzerhand zog sie Ursel an sich und küsste sie so leidenschaftlich, dass der Hurenkönigin Hören und Sehen verging.
Ursel dachte an Bernhard. Sei’s drum, sagte sie sich. Was du kannst, kann ich auch!
»Komm mit«, raunte sie Alma zu und zog sie mit sich in ihr Zimmer.
Trotz des feinen Nieselregens hatte Claus Uffsteiner darauf verzichtet, sich von einem der Pferdeschlitten nach Hause bringen zu lassen. Er ging das kurze Stück zur Neuen Kräme lieber zu Fuß. Die frische Luft und die Bewegung trugen dazu bei, dass sein Kopf klarer wurde, und je mehr er über alles nachdachte, desto bekümmerter wurde er ob des Schadens, den er angerichtet hatte. Als gewiefter Geschäftsmann, der er zweifellos war, musste er sich eingestehen, dass er nicht nur seinen Senatskollegen, sondern auch sich selbst ein ganz schönes Ei gelegt hatte. Wie hatte er den schwerreichen Bankier aus Augsburg nur derart verärgern können! Was biste für ein Simpel, schimpfte er vor sich hin, als ihm siedend heiß bewusst wurde, was für einen finanziellen Verlust ihm sein Ausrutscher bescheren würde. Er dachte an die Ermahnungen des Bürgermeisters – selbstverständlich würde er sich morgen bei dem Augsburger in aller Form für seine Flegelei entschuldigen! Er würde, wenn’s sein musste, diesem Sauschwaben sogar in den Arsch kriechen, dann würde der sich schon wieder einkriegen. Ein gutes Geschäft durfte man sich doch nicht so einfach durch die Lappen gehen lassen!
Allerdings konnte sich der Fugger so etwas eher leisten als die Frankfurter Senatoren, fuhr es Uffsteiner durch den Kopf, und mit einem Mal war er sich gar nicht mehr so sicher, ob er mit seiner Entschuldigung tatsächlich bis morgen warten sollte. Mit Sicherheit würde er besser schlafen, wenn sich alles wieder eingerenkt hatte, und so entschied sich der korpulente Ratsherr, diesen wichtigen Schritt nicht zu vertagen. Er bog kurzerhand in die Münzgasse ein, um Fugger im Trierischen Hof einen Besuch abzustatten.
Der Hausdiener des Fürstenhofs rümpfte zwar ein wenig die Nase, als ihm Uffsteiners Alkoholfahne entgegenschlug, doch die Amtskette und der herrische Tonfall des Ratsherren überzeugten ihn schließlich davon, dass es besser war, einem so hohen Herrn nicht die Tür zu weisen. So führte er den späten Besucher zu Fuggers Gemächern im Fürstenflügel des weitläufigen Anwesens.
Nach mehrfachem höflichem Anklopfen öffnete der vornehme Gast schließlich die Tür. Er trug schon seinen Schlafrock und blinzelte den Dienstmann ungehalten an.
»Ich bitte untertänig, die späte Störung zu entschuldigen, Eure Durchlaucht«, näselte der livrierte Diener devot. »Aber Ihr habt Besuch – ein Herr Senator Uffsteiner wünscht Euch zu sprechen.« Er wies auf die gedrungene Gestalt, die im Halbdunkel des Flurs neben ihm stand, und zog sich katzbuckelnd zurück.
Uffsteiner räusperte sich verlegen und ging einen Schritt auf sein Gegenüber zu, ehe er sich tief verbeugte und hervorpresste: »Bitte vielmals um Entschuldigung, Herr Freiherr, dass ich Euch geweckt habe!« Er ergriff Fuggers Hand und stammelte: »Ich möchte Euch in aller Form um Verzeihung bitten für mein schlechtes Benehmen von vorhin … und ich bitte Euch sehr, mir nicht länger gram zu sein …«
Unwirsch schüttelte Fugger Uffsteiners Hand ab und entgegnete eisig: »Die Entschuldigung gebührt nicht mir, sondern der Dame!«
»Äh … was denn für einer Dame?«, murmelte der Ratsherr begriffsstutzig und erkannte viel zu spät, dass er schon wieder einen Fauxpas begangen hatte. Denn erst jetzt bemerkte er im Hintergrund die junge Hübscherin, die ihn hasserfüllt anfunkelte. Im nächsten Moment schlug ihm Fugger krachend die Tür vor der Nase zu, und Uffsteiner stand da wie ein begossener Pudel.
»Dann eben nicht!«, raunzte er erbost und stampfte mit dem Fuß auf den Boden, ehe er sich schließlich davonmachte.
Wenig später stapfte der Ratsherr durch knöchelhohen Schneematsch, der ihm nicht nur das Leder seiner feinen Kuhmaulschuhe ruinierte, sondern auch klatschnasse Füße
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