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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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du bei deinem Gewerbe aber besser wissen«, entgegnete Ursel bitter. »Wenn sie der Hafer sticht, sind doch alle Männer gleich. Egal, ob sie eine Mönchkutte tragen oder einen Gelehrtentalar.«
    »Das ist wohl wahr«, stimmte Irene zu. »Ich möchte Euch jedoch versichern, dass ich bei Herrn von Wanebach derartige Gefühle weder teile noch wissentlich bei ihm hervorgerufen habe. Die Gespräche mit ihm drehten sich vor allem um geistige Belange. Ich muss zugeben, dass ich die Konversation mit ihm sehr genossen habe, da es meine Leidenschaft ist, gelehrte Bücher zu lesen. Aber wie auch immer, Ihr könnt Euch jedenfalls darauf verlassen, dass sich so etwas nicht mehr wiederholen wird.«
    Aus Irenes Augen sprach eine solche Aufrichtigkeit, dass die Hurenkönigin ihren Beteuerungen Glauben schenkte. Dennoch konnte sie die Nähe der betörend schönen Ulmerin nicht länger ertragen – auch wenn sie sich eingestehen musste, dass man Irene ihre Schönheit nicht zum Vorwurf machen konnte. Hastig trank sie ihr Bier aus, erhob sich und erklärte abweisend: »Ich mache noch einen Spaziergang. Wegen deiner Mutter unterhalten wir uns später.«
    Wie eine Traumwandlerin lief die Hurenkönigin an der Uferböschung entlang, durchquerte nach geraumer Zeit die Mainzer Pforte und eilte aus der Stadt hinaus aufs freie Feld. Sie hielt sich dicht am Fluss, bis sie schließlich an die hohen Mauern des Gutleuthofs gelangte. Dort ließ sie sich auf einem Baumstumpf nieder und blickte unbeweglich auf die trüben Fluten des Mains. Hinter den hohen Steinmauern des städtischen Leprösenhospitals war es still, und weit und breit war kein Mensch zu sehen. In dieser Einsamkeit fühlte sich Ursel plötzlich erleichtert, dass sie das Apothekenviertel umgangen hatte. Sie schwor sich, nicht wieder in alte Gewohnheiten zu verfallen und sich bis zur Besinnungslosigkeit mit Theriak zu betäuben. Selbst wenn der Schmerz um Bernhard sie fast um den Verstand brachte, sie würde sich dem Leben stellen und einen Ausweg finden.
    Ich werde um dich kämpfen!, gelobte die Hurenkönigin inbrünstig und machte sich schließlich, um einiges gefasster, auf den Heimweg.

6
    Mittwoch, 28 . März 1512
    Nach zehn Jahren Studium der Jurisprudenz an der renommierten Ruprecht-Karls-Universität zu Heidelberg, welches er nicht nur mit dem Doktorhut, sondern auch mit dem Prädikat »summa cum laude« abgeschlossen hatte, war der junge Martin Fauerbach im vergangenen Jahr direkt vom Hörsaal in den Gerichtssaal der Stadt Frankfurt gewechselt. Bisher hatte er lediglich bei eher kleineren Straftaten den Vorsitz geführt. Das Tötungsdelikt an dem Senatsmitglied Claus Uffsteiner war sein erster Mordfall, und er wollte sich keinesfalls nachsagen lassen, dass es ihm an der nötigen Sorgfalt mangele. Die Vorwürfe der Gildemeisterin, er sei ganz wie der unrühmlich entlassene Melchior Lederer drauf und dran, sich auf einen falschen Verdacht zu versteifen, hatten ihn in seinem Juristenstolz verletzt. Einen Grünschnabel hatte sie ihn genannt! Natürlich waren dem jungen Juristen Ursel Zimmers Verdienste bei der Aufklärung der Hurenmorde, die seinen Vorgänger das Amt gekostet hatten, sehr wohl zu Ohren gekommen, aber trotzdem war sie doch nicht mehr als eine dahergelaufene Frauenhauswirtin!
    Daher packte der Untersuchungsrichter, nachdem er sich das gestrige Verhörprotokoll noch einmal gründlich durchgelesen hatte, kurz entschlossen seine Schreibutensilien in die lederne Aktenmappe, die ihm sein Vater eigens zum Dienstantritt hatte anfertigen lassen. Er stand auf, legte die schwarze Schaube um und verließ kurz nach der neunten Vormittagsstunde sein Amtszimmer im Leinwandhaus, um das Frauenhaus aufzusuchen.
    Er hätte natürlich auch den Amtsweg beschreiten und sich vom Scharfrichter oder einem Amtsboten offiziell ankündigen lassen können, doch in dieser Angelegenheit zog er das Überraschungsmoment vor.
    Obgleich Doktor Fauerbach mit seinen gerade einmal fünfundzwanzig Jahren noch recht jung war, verströmte er in seinem Amtstalar doch eine solche Autorität, dass die Messebesucher auf dem Römerberg ehrfürchtig zur Seite wichen, um ihn passieren zu lassen.
    Mit herablassenden Blicken streifte er die Händler und Kaufleute aus aller Herren Länder, die in seinen Augen nichts als oberflächliche Krämerseelen waren. Obgleich er selbst einer alten Kaufmannsfamilie angehörte, von deren Reichtum er nicht schlecht profitierte, war ihm doch das Schachern und Verhandeln zutiefst

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