Die Hurenkönigin und der Venusorden
erhoben hatte, wollten ihr die Huren schon folgen, doch die Hurenkönigin erklärte ihnen, es sei besser, wenn sie zunächst allein mit dem Untersuchungsrichter spreche. Sie werde sie dann rufen.
Zu Ursels Erstaunen war Fauerbach nicht alleine im Aufenthaltsraum. Am Ende des langen Tisches saß die Jennischen Marie und warf ihr einen betretenen Blick zu.
»Setzt Euch, Gildemeisterin«, befahl der Untersuchungsrichter in triumphierendem Ton. »Das Verhör hat sich gelohnt«, erklärte er selbstzufrieden und wies auf die Jennischen Marie. »Es hat sich glücklicherweise eine Zeugin gefunden. Auf, auf, wiederholt noch einmal, was Ihr mir vorhin gesagt habt.«
Marie schüttelte unwirsch den Kopf und murmelte: »Das ging alles so schnell. Ich habe sie ja nur kurz gesehen …«
»Was ist denn los, Kind?«, entfuhr es der Hurenkönigin bange. »Lass dich bloß nicht zu etwas hinreißen!«
Der Untersuchungsrichter unterbrach sie mit herrischer Geste und wandte sich erneut an die junge Hure mit den fremdländischen Gesichtszügen. »Sagt es jetzt gefälligst und sprecht in ganzen Sätzen!«
Marie seufzte vernehmlich. »Ich … ich war in der Nacht noch unten in der Küche, weil ich mir Wasser holen wollte. Ich … ich hatte doch so einen Durst nach der ganzen Sauferei«, erläuterte sie stockend und vermied es, die Zimmerin anzuschauen. »Und wie ich mit der Kerze in der Hand wieder die Treppe hochkam, habe ich sie oben im Flur stehen sehen, die Ulmerin, die wo jetzt im Kittchen sitzt, da bin ich mir ganz sicher. Als sie gemerkt hat, dass ich sie gesehen hab, ist sie schnell in ihr Zimmer rein, so als hätte ich sie bei irgendwas ertappt …«
»Na und? Was ist denn daran so schlimm?«, sagte die Hurenkönigin und musterte den Untersuchungsrichter spöttisch. »Vielleicht musste sie ja mal aufs stille Örtchen oder so. Und daraus wollt Ihr der Armen jetzt einen Strick drehen? Das kann doch nicht Euer Ernst sein!«, rief sie aus und schüttelte entgeistert den Kopf.
»Die Verdächtige Alma Deckinger gebärdet sich ausgesprochen verstockt und will einfach nicht mit der Wahrheit rausrücken«, erwiderte Fauerbach schneidend. »Daher sind wir darauf angewiesen, jedem Hinweis nachzugehen – und sei er noch so vage. Ich frage Euch jetzt das Gleiche wie alle anderen auch: Ist Euch in der Mordnacht irgendetwas Verdächtiges aufgefallen?« Der junge Mann mit den asketischen Gesichtszügen blickte die Gildemeisterin eindringlich an. Zu seinem Erstaunen nickte die Zimmerin nachdrücklich und erklärte mit fester Stimme: »Allerdings! Ich möchte etwas zu Protokoll geben.«
Eifrig griff Fauerbach nach seiner Schreibfeder, tauchte sie ins Tintenfass, beschriftete mit kratzendem Geräusch einen Papierbogen und forderte die Hurenkönigin auf, ihre Aussage zu machen.
»Nach dem Eklat in der Mordnacht – über den Ihr ja hoffentlich im Bilde seid?« Die Zimmerin sah den Untersuchungsrichter fragend an. Nachdem Fauerbach das bestätigt hatte, fuhr sie fort: »Also, als Fugger den Herren gegenüber bekundet hatte, dass er sich aus dem Geschäft zurückziehen werde, und sich in Begleitung der Hübscherin Irene verärgert in seine Fürstenherberge begab, waren die Senatoren und der Bürgermeister vollkommen außer sich. Die Abfuhr des Augsburgers hatte sie ins Mark getroffen. Sie überhäuften Uffsteiner, der ja alles verursacht hatte, mit den bittersten Vorwürfen. Selbst Bürgermeister Reichmann hatte völlig die Fassung verloren. Ich habe deutlich gehört, wie er zu seinem Freund Johann Fichard sagte: ›Wenn der Fugger wirklich das Geschäft platzen lässt, sind wir alle ruiniert.‹« Ursel machte eine kurze Pause. »Ich bin bereit, das zu beeiden – und das gilt auch für mehrere der Huren, die das ebenfalls gehört haben.«
»Ich nehme das ins Protokoll auf und werde gegebenenfalls darauf zurückkommen«, sagte Fauerbach scheinbar gelassen, aber sein Gesicht hatte sich vor Eifer gerötet. Er sah von seinem Blatt auf. »Ich bitte Euch, diese Angaben durch Eure Unterschrift zu beglaubigen …«
»Das kann ich anschließend gerne tun«, erwiderte Ursel sachlich. »Doch ich bin noch nicht fertig.«
Fauerbach hüstelte. »Nur zu«, forderte er die Hurenkönigin auf, tauchte den Federkiel in die Tinte und blickte sie abwartend an.
»Senator Anton Neuhof, der Schwager des Ermordeten, war von allen der Zornigste. Er war derart in Rage, dass nicht mehr viel gefehlt hat, und er wäre gegen seinen Schwager handgreiflich geworden.
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