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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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gestrengen jungen Mann verstohlen an, ehe sie mit bebender Stimme fortfuhr: »Und wie ich schon oben im Treppenhaus war, habe ich gehört, wie die Haustür zugeklappt ist. Ich habe noch gedacht, na, das ging ja schnell, weil ich geglaubt habe, die Jungfer Gertrud und der Herr Neuhof wären schon wieder zurück, und bin in mein Zimmer gegangen. Aber ehe ich mich hingelegt habe, habe ich noch mal aus dem Fenster geguckt – mein Zimmer hat … äh, hatte ja ein kleines Mansardenfenster, das zur Straße rausging –, und da habe ich sie dann gesehen, die gnädige Frau, wie sie mit einer Laterne in der Hand über die Gasse gehuscht ist.«
    Der Untersuchungsrichter sog vernehmlich den Atem ein und machte sich eifrig Notizen.
    »Das hat sie gut gemacht, die Reuboldin«, lobte er, nachdem er fertig war, und zog nachdenklich die Stirn in Falten. »Was kann Sie mir denn sonst noch sagen, über Ihre ehemaligen Herrschaften?«, fragte er anschließend und taxierte Traudel, die unsicher mit den Schultern zuckte. »Wie ich inzwischen weiß, hat Sie mit Ihrem verstorbenen Dienstherren ein Verhältnis gehabt. Sie braucht also nicht so zu tun, als könnte Sie kein Wässerchen trüben!«
    Traudel errötete tief. Vor Scham und Demütigung stiegen ihr die Tränen in die Augen. »Meint Ihr vielleicht, es hat mir Spaß gemacht, dass der gnädige Herr mich immerzu angefasst hat!«, brach es aus Ihr heraus. »Aber wie sollte ich mich denn entziehen, wo ich doch bei ihm in Stellung war und meinen Lohn so bitter nötig hatte.« Sie schluchzte verzweifelt auf. »Ich habe es halt über mich ergehen lassen, auch wegen meiner Familie, die war ja auf das Geld angewiesen. Und deshalb ist man jetzt in aller Augen der letzte Dreck. Die anderen Dienstboten verachten mich, die junge Herrin hat mich behandelt wie eine Aussätzige, und sogar meine eigenen Leute schämen sich für mich, auch wenn sie es sich nicht anmerken lassen.« Sie schaute den Mann mit den asketischen Gesichtszügen aus verweinten Augen an. »Und Ihr wollt jetzt auch noch den Stab über mich brechen«, murmelte sie verzagt.
    Der Richter empfand unversehens Mitleid mit der jungen Frau, was ihn jedoch sogleich mit Unwillen erfüllte, denn sein Amt verbot ihm jegliche Gefühlsanwandlungen. »Was redet Sie da für einen Unfug!«, schnaubte er ungehalten. »Ich bin nicht hier, um über Sie zu richten, sondern um Sie zu verhören. Und Sie hat mir ja auch schon viel Aufschlussreiches berichtet.« Seine grauen Augen blitzten listig, als er Traudel mit gesenkter Stimme zuraunte: »Sie braucht doch kein Blatt vor den Mund zu nehmen, Sie ist doch diesen Leuten, die Sie so schmählich vor die Tür gesetzt haben, nichts mehr schuldig!«
    Traudels Tränen versiegten augenblicklich. »Da habt Ihr recht«, sagte sie trotzig.
    Der Untersuchungsrichter sah augenblicklich seine Chance. »Sage Sie mir doch jetzt unumwunden, ob Herr Neuhof, Jungfer Gertrud oder auch Ihre ehemalige Herrin etwaige Gründe gehabt haben könnten, den Herrn Senator Uffsteiner zu ermorden – denn dass sie alle in der Mordnacht noch aus dem Haus gegangen sind, erscheint mir doch sehr sonderbar, um nicht zu sagen verdächtig«, knarzte er.
    Traudel nickte angespannt. »Darüber habe ich mir auch schon meine Gedanken gemacht«, entgegnete sie mit brüchiger Stimme. »Aber der gnädigen Frau und dem Herrn Neuhof traue ich eine so schreckliche Tat einfach nicht zu, aber …« Sie hielt kurz inne und platzte dann heraus: »Der jungen Herrin sehr wohl!«
    Fauerbach stand der Schweiß auf der Stirn, er hing förmlich an Traudels Lippen. »Weiter!«, forderte er sie mit einer herrischen Handbewegung auf.
    Auf Traudels Gesicht war ein leichter Triumph getreten. »Ich kann gar nicht sagen, wie oft sie ihrem Vater im Streit den Teufel an den Hals gewünscht hat. Aufs übelste beschimpft haben sich die beiden in ihrem Zorn, vielleicht, weil sie sich so ähnlich waren. Die Jungfer hat sich von ihrem Vater nichts gefallen lassen – und ihre Mutter hat dann immer alles abgekriegt. Die arme Frau, die konnte einem von Herzen leidtun. Gertrud wollte sie vor dem Grobian beschützen, doch das ist ihr leider nicht immer gelungen. Oft war es schon zu spät, dann lag die Mutter oft schon am Boden, wenn sie aus ihrem Zimmer herunterkam. Das konnte die Jungfer schier wahnsinnig machen. Sie hat dann ihren Vater angeschrien, dass die Wände bebten. Nicht selten hat sie gedroht, ihm etwas anzutun, und manchmal ist sie sogar tätlich gegen ihn geworden.

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