Die Hurenkönigin und der Venusorden
nicht angehen, dass Ihr die Angehörigen des Mordopfers mit den haltlosen Äußerungen einer dahergelaufenen Gesindemagd belästigt, anstatt Euch endlich darum zu kümmern, dass das gemeine Hurenmensch, das meinen Vater auf dem Gewissen hat, endlich am Galgen baumelt!«
»Die betreffende Person ist nach wie vor in Gewahrsam. Sie wird, das kann ich Euch versichern, ihrer gerechten Strafe nicht entgehen – so sie die Tat überhaupt begangen hat.« Fauerbach musterte die Patriziertochter mit unverhohlener Abscheu und fügte schneidend hinzu: »Inzwischen haben sich neue Verdachtsmomente gegen andere Personen ergeben – und deswegen bin ich jetzt auch hier.«
Gertrud Uffsteiner, die ihrem verstorbenen Vater nicht nur äußerlich glich, sondern auch seinen Hang zum Jähzorn geerbt hatte, verlor augenblicklich die Contenance. Gellend schrie sie: »Raus mit dir, du Rechtsverdreher!«, sprang von ihrem Stuhl auf, eilte zur Tür und riss sie weit auf. »Ich werde noch heute dafür Sorge tragen, dass du in Zukunft in den städtischen Schreibstuben die Federn spitzen darfst, du Schnösel!«, setzte sie nach.
Der Richter musste so heftig schlucken, dass sich der gewölbte Adamsapfel an seinem hageren Hals hektisch auf und ab bewegte.
»Das war eine eindeutige Amtsbeleidigung«, stieß er mit belegter Stimme hervor. »Und die steht unter Strafe!« Er wandte sich an die neben ihm sitzenden Schergen. »Ihr werdet das vor Gericht bezeugen!«
Die vierschrötigen Stangenknechte glotzten ihn mit weitaufgerissenen Augen an und nickten dienstbeflissen. Sie waren zwar ihrem gestrengen Vorgesetzten nicht besonders zugetan, aber was sich dieses Frauenzimmer da eben erlaubt hatte, ging wirklich zu weit. Als der Richter ihnen gleich darauf befahl, die Ungebärdige in Ketten zu legen und sie zur Polizeiwache ins Leinwandhaus zu bringen, schritten sie eifrig zur Tat.
Gertrud setzte sich mit Händen und Füßen zur Wehr, und obgleich die Büttel allesamt kräftige Burschen waren, bedurfte es dennoch einiger Mühe, bis sie die ihnen an Größe und Statur ebenbürtige junge Frau überwältigt und in Fesseln gelegt hatten. Genoveva Uffsteiner und Senator Neuhof hingegen leisteten keinerlei Widerstand.
Es hatte gerade zur neunten Stunde geschlagen und war bereits finstere Nacht, als Untersuchungsrichter Fauerbach den Verhörraum der Polizeiwache im Leinwandhaus betrat. Er war kurz zu Hause gewesen, um trockene Sachen anzuziehen und sich nach dem langen, beschwerlichen Ritt durch den Taunus ein wenig zu stärken. Einige Überwindung hatte es ihn schon gekostet, zu solch später Stunde noch einmal aufzubrechen, denn eigentlich war er hundemüde und sehnte sich nach seinem Bett. Doch sein verbissenes Pflichtbewusstsein obsiegte auch dieses Mal. Zweifelsohne war es klüger, die Verhöre fortzusetzen, solange die Nerven der Verdächtigen noch blanklagen. Außerdem hatte er jetzt noch freie Hand und musste sein Vorgehen vor niemandem rechtfertigen – was morgen schon ganz anders sein würde. Ihm war nur allzu bewusst, dass der Bürgermeister und die Herren Senatoren entsetzt sein würden, wenn ruchbar wurde, wie harsch er mit Standespersonen verfahren war. Nur wenn er entsprechende Ergebnisse vorzuweisen hatte, konnte er ihnen den Wind aus den Segeln nehmen. Und eben diese würde er ihnen liefern, und wenn er die ganze Nacht dranhängen musste!
Vorausschauend hatte er dafür gesorgt, dass die Damen Uffsteiner und Senator Neuhof getrennt voneinander untergebracht waren, damit sie sich nicht absprechen konnten. Und über eines war er sich schon jetzt gewiss: Die unverschämte Walküre würde er am längsten schmoren lassen!
Als Erste wollte er sich Genoveva Uffsteiner vorknöpfen, denn die verängstigte kleine Frau kippte ja schon um, wenn man nur die Stimme erhob. Nicht, dass ihm das Spaß bereitet hätte, denn im Grunde genommen tat sie ihm sogar leid, doch der Zweck heiligte die Mittel. Er war sicher, dass er von ihr am meisten erfahren konnte.
Nachdem er auf seinem Schreibtisch alles bereitgelegt und einen der diensthabenden Stangenknechte instruiert hatte, in der stickigen Amtsstube für ausreichend Licht zu sorgen, erteilte er den Befehl, Genoveva aus der Zelle zu holen.
Auf Fauerbachs Anweisung hatten die Wärter darauf verzichtet, die verängstigte Frau in Fesseln zu legen, und als sie flankiert von den Stangenknechten in der Amtsstube erschien, besann sich der Richter auf seine guten Manieren und rückte ihr einen Stuhl zurecht.
Weitere Kostenlose Bücher