Die Hyäne
galt in diesen Augenblicken nur ein flüchtiger Gedanke. Sie hatte ihn in der Küche erlebt, und er hatte sich nicht dazu überwinden können, sich auf Collins Seite zu stellen. Er war eben kein guter Vater und hatte auch nichts dazugelernt. Mel mußte sehen, wie er mit den neuen Tatsachen zurechtkam. Carrie jedenfalls wollte sich da keinerlei Vorwürfe mehr machen.
Das Fitneß-Center stand auf einem großen Platz, und es stand dort nicht allein. Ein Baumarkt, ein Supermarkt und ein Autohändler hatten sich dort ebenfalls niedergelassen. Das Center lag am Rand des Geländes, wo die Chance, gesehen zu werden, geringer war als auf dem zentralen Platz.
Die Buchstaben auf dem Dach leuchteten in einem strahlenden Blau. Sie waren sehr groß und sahen aus, als würden sie inmitten der Dunkelheit schweben.
FITNESS WORLD
Als Carrie den Namen las und die Buchstaben sah, mußte sie daran denken, daß Collin bei seinem Selbstmord auf die Schrift geklettert war und sich von dort oben kopfüber in die Tiefe gestürzt hatte.
Carrie fuhr langsam auf den Bau zu. Die beiden anderen Märkte hatten noch geöffnet, dementsprechend groß war der Betrieb auf dem Gelände.
Nicht so auf dem Parkplatz des Centers. Dort war es auch dunkler, was Carrie natürlich sehr entgegenkam.
Die hintere Seite des Flachdachbaus bestand aus einer großen, grauen Mauer. Es gab keine Fenster, aber eine Tür und einen Klingelknopf daneben. Der war für Carrie wichtig.
Es war ihr zweiter Besuch im Center. Kurz vor Collins Tod war sie schon einmal hier gewesen, weil sie unbedingt mit ihrem Sohn hatte sprechen wollen. Dort hatte sie auch den Besitzer oder Manager kennengelernt, einen jungen Mann mit dem Körper eines Modellathleten. Den Namen hatte sie behalten. Er hieß Peter Banks.
Damals hatte er sie abgewiesen. Heute würde er das nicht tun, da konnte Carrie sicher sein.
Sie stieg aus dem Wagen, öffnete die Heckklappe aber noch nicht. Sie warf einen Blick durch die Seitenscheibe. Ihr Sohn hatte seine Haltung nicht verändert. Leicht aufgestützt lag er auf der rechten Seite. Das Gebein des Raubtierschädels schimmerte, und in dem leicht geöffneten Maul leuchteten die Zähne.
Sie lächelte ihm knapp zu, bevor sie sich vom Volvo wegdrehte und auf die Hintertür zuschritt. Den Klingelknopf sah sie in Augenhöhe an der Wand, auch die Rillen einer Gegensprechanlage darunter. Sie schellte zweimal, wollte es dringend machen, und sehr schnell hörte sie die fragende Stimme. »Wer ist da?«
»Mrs. de Baker.«
»Ich komme!«
»Gut!«
Sie trat wieder zurück und schaute sich um. Den Volvo hatte sie ziemlich dicht an der Hauswand geparkt. Zudem war es hier finster. Auch ein Passant hätte nicht viel mitbekommen.
Sehr schnell wurde die Tür geöffnet. Banks blieb in ihrem Ausschnitt stehen, den er aufgrund seines breiten Körpers beinahe völlig ausfüllte.
»Kommen Sie, Mr. Banks. Er ist im Wagen.«
Banks blieb noch stehen und schüttelte den Kopf. »Sie haben ihn tatsächlich geholt?«
»Nein, er ist gekommen.«
»Dann hat sich das Versprechen erfüllt.«
Carrie de Baker wollte nicht wissen, von welchem Versprechen der Mann redete, sie vertraute ihm, und sie vertraute ihm auch ihren Sohn an. Zügig öffnete sie die Heckklappe.
Banks warf einen ersten Blick in den Wagen. Er hatte sich gebückt und flüsterte: »Collin…?«
Das Monstrum hatte seinen Namen gehört. Es reagierte und richtete sich noch weiter auf, so daß Peter den dicken und knochigen Schädel sehen konnte.
»Du bist die Hyäne«, flüsterte er voller Andacht. »Er hat uns ein Zeichen gegeben und dich geschickt. Komm jetzt!« Er streckte Collin die Hand entgegen, die dieser nicht ergriff. Er kroch von allein aus dem Wagen, diesmal rückwärts.
Carrie, seine Mutter, schaute zu. Sie glaubte fest daran, daß Collin den richtigen Weg ging. Er war eben etwas Besonderes. Er war schon immer etwas Besonderes gewesen, nur hatten es seine Eltern leider zu spät erkannt.
Jetzt stand er neben dem Wagen. Er drehte sich. Für einen Moment sah Carrie die bernsteinfarbenen Augen auf sich gerichtet, und sie schauderte unter dem Blick zusammen, dann lächelte sie und nickte Collin zu. »Es ist gut, wenn du jetzt unter Freunden bist.«
»Das ist er auch, Mrs. de Baker«, sagte Peter Banks. »Darauf können Sie sich verlassen.«
»Was werden Sie jetzt mit ihm machen?«
Peter hob die Schultern. »Es steht nicht in meiner Macht. Es wird sich alles ergeben. Aber er ist bei uns sicher. Danke, daß
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