Die Hyäne
Sie ihn uns zurückgebracht haben, denn er hat ihn sich ausgesucht.«
»Wer ist dieser ER?«
»Das Tier«, gab Banks flüsternd zurück, und seine Augen leuchteten dabei. »Aber nicht das Lamm.«
»Die Hyäne.«
»Ja.«
»Der Teufel?«
»Vielleicht.« Banks wechselte das Thema. »Wollen Sie sofort wieder fahren oder noch einen Kaffee trinken? Wir haben ein Bistro, dort gibt es wirklich guten Kaffee.«
»Ich könnte eine Tasse vertragen.«
»Gut, dann kommen Sie mit. Ich weise Ihnen den Weg. Ihren Sohn müssen Sie aber mir überlassen.«
»Das mache ich gern.«
»Danke.«
Sie hatten das Gebäude betreten, und Banks schloß die Tür. Sie befanden sich in einem breiten Gang, in dem es etwas feucht roch. Es lag daran, daß Sauna und Pool in der Nähe lagen. Sie gingen bis zu einer Treppe. Dort teilte sich auch der Weg. Einmal ging es hinein in die Badewelt, zum anderen nach oben. In der gekachelten Wand war zudem eine Tür eingelassen mit der roten Aufschrift ›kein Zutritt‹.
Es war ihnen keiner begegnet, darauf hatten sie schon geachtet. Als jedoch Schritte auf der Treppe zu hören waren, öffnete Banks die Tür sehr schnell und verschwand mit seinem Gast. »Nach oben!« zischte er Carrie de Baker noch zu.
Sie ließ die beiden Männer in den hellen Bademänteln passieren, dann stieg sie die Treppe hoch und horchte in sich hinein, ob sie ein schlechtes Gewissen haben mußte.
Nein, überhaupt nicht. Sie hatte für ihren Sohn das Beste erreicht. Daß ihm dieses Schicksal widerfahren war, dafür hatten seine Eltern nichts gekonnt.
Das Angebot, einen Kaffee zu trinken, kam ihr sogar sehr gelegen. Es trieb Carrie nicht unbedingt nach Hause. Mit Mel würde es sicherlich Ärger geben.
Das Bistro war schnell gefunden. Ein sehr heller Raum mit ebenfalls hellen Tischen, die mit hellroten Metallrändern umlegt waren. Auch die Stühle hatten rote Polster.
Nur wenige Tische waren besetzt. In ihrer Kleidung kam sich die Frau deplaziert vor, denn sie trug ihren alten grauen Wintermantel und darunter noch das Hauskleid. So etwas war kein Outfit für ein Fitneß-Center. An den Tisch ging sie nicht, sondern setzte sich an die Theke, die die Form eines S aufwies.
Das Mädchen, das bediente, trug eine rote Bluse und einen weißen Rock. Es lächelte sie freundlich an. »Sie wünschen bitte?«
»Einen Kaffee.«
»Gern.«
Carrie atmete auf. Es war alles gutgegangen. So konnte sie allmählich dazu übergehen, sich zu entspannen. Der Kaffee war schnell da. Er war dunkel und schaumig. Sie nahm die ersten Schlucke. Es war für sie ein Genuß, und Carrie starrte dabei auf den Handlauf. Daß ein anderer Gast das Bistro betreten hatte und sich ebenfalls zum Tresen gesellte, nahm sie nicht mal am Rand wahr. Er stand in ihrer Nähe, das spürte sie, und sie hörte die Bedienung nach den Wünschen fragen.
»Ein Wasser, bitte.«
Carrie de Baker zuckte zusammen. Kaffee schwappte über und brannte auf ihren Händen. Die Stimme des Mannes hatte ihr einen harten Stich versetzt.
Sie kannte sie.
Neben ihr stand John Sinclair!
***
Und ich wußte, wer neben mir stand. Zuerst hatte ich es nicht glauben wollen, doch beim Näherkommen waren dann die letzten Zweifel gewichen. Carrie de Baker war hier. Bestimmt kein Zufall.
»Guten Abend, Mrs. de Baker. Wenn das keine Überraschung ist, trinke ich den Pool leer.«
»Wieso?«
»Trainieren Sie hier?« erkundigte ich mich etwas spöttisch.
Sie stellte die Kaffeetasse zu hart ab. Wieder schwappte Flüssigkeit über.
Ich hatte mich so hingestellt, daß sie mich anschauen mußte, wenn sie den Kopf drehte.
»Was haben Sie gesagt, Mr. Sinclair?«
»Ich wollte wissen, ob Sie hier trainieren?«
»Nein.«
»Und was tun Sie hier?«
»Ich trinke Kaffee.«
»Das sehe ich.«
»Dann fragen Sie nicht mehr. Ich frage Sie ja auch nicht, was Sie hier machen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Meine Güte, Mrs. de Baker. Sie haben sich doch an meine Sekretärin gewandt, weil Sie plötzlich Ihren Sohn mit einem knochigen Hyänenschädel gesehen haben. Sie waren sehr kooperativ, aber jetzt scheinen Sie das vergessen zu haben.«
»Nein, das nicht.«
»Warum sagen Sie mir dann nicht, was Sie hergetrieben hat, abgesehen vom Genuß des Kaffees.«
»Ich wollte sehen, wo mein Sohn früher war.«
»Nur Sie und nicht Ihr Mann?«
»Nein.«
»Oder wollten Sie Freunde aus alten Zeiten von ihm treffen? Ist doch auch möglich.«
»Ich kenne sie nicht.«
Ein blonder, junger, kräftiger Mann betrat das
Weitere Kostenlose Bücher