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Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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einem Krankenhaus auf Renaissance, Baby. Du hast auf Hyperion einen Unfall gehabt. Jetzt ist alles in Ordnung, nur dein Erinnerungsvermögen ist ein bißchen angegriffen.«
    Rachel umklammerte seine Hand. »Ein Krankenhaus? Im Netz? Wie bin ich hierher gekommen? Wie lange bin ich schon hier?«
    »Etwa fünf Wochen«, flüsterte Sol. »Woran kannst du dich als letztes erinnern, Rachel?«
    Sie lehnte sich ins Kissen zurück, berührte sich an der Stirn und spürte die winzigen Sensoren dort. »Melio und ich waren bei einer Versammlung. Wir haben mit dem Team darüber gesprochen, Untersuchungsgeräte in der Sphinx aufzustellen. Oh ... Dad ... ich habe dir noch nicht von Melio erzählt ... er ist ...«
    »Ja«, sagte Sol und gab Rachel ihr Komlog. »Hier, Kleines. Hör dir das an!« Er ging aus dem Zimmer.
    Rachel drückte den Diskey und blinzelte, als ihre eigene Stimme zu ihr zu sprechen begann. »Okay, Rachel, du bist gerade aufgewacht. Du bist verwirrt. Du weißt nicht, wie du hierher gekommen bist. Nun, etwas ist dir zugestoßen, Mädchen. Hör zu!
    Ich zeichne dies am zwölften Tag des Zehntmonats, Jahr 457 der Hegira, 2739 n. Chr. alter Zeitrechnung, auf. Ja, ich weiß, das ist ein halbes Standardjahr vor deiner letzten Erinnerung. Hör zu!
    In der Sphinx ist etwas passiert. Du bist in die Gezeiten der Zeit geraten. Sie haben dich verändert. Du alterst rückwärts, so dumm sich das anhören mag. Dein Körper wird jeden Tag jünger, aber das ist momentan nicht so wichtig. Wenn du schläfst ... wenn wir schlafen ... vergißt du vieles. Du verlierst einen weiteren Tag deiner Erinnerung vor dem Unfall, und du verlierst alles seither. Frag mich nicht, warum. Die Ärzte wissen es nicht. Die Experten wissen es nicht. Wenn du einen Vergleich willst, denk an einen Bandwurmvirus ... der alten Art ... der Daten in deinem Komlog frißt ... vom letzten Eintrag an rückwärts.
    Sie wissen nicht, warum der Verlust der Erinnerungen im Schlaf einsetzt. Sie haben es mit Hallowachs versucht, aber nach dreißig Stunden wirst du katatonisch und der Virus macht seine Arbeit trotzdem. Also drauf gepfiffen. Weißt du was? Über sich selbst in der dritten Person zu reden, hat eine gewisse therapeutische Wirkung. Ich liege hier und warte darauf, daß sie mich zur Skandierung wegbringen, und ich weiß, wenn ich zurückkomme, schlafe ich ein ... vergesse wieder alles ... und das macht mir eine Heidenangst.
    Okay, stell den Diskey auf Kurzzeit ein, dann bekommst du eine knappe Version, die dich in alles einweihen müßte, was seit dem Unfall passiert ist. Oh, Mom und Dad sind beide hier und wissen von Melio.
    Aber ich weiß nicht mehr soviel wie früher. Wann haben wir zum erstenmal mit ihm geschlafen, hm? Im zweiten Monat auf Hyperion? Dann bleiben uns nur ein paar Wochen, Rachel, und wir sind wieder nur Kollegen. Genieß deine Erinnerungen, so lange du kannst, Mädchen! Damit verabschiedet sich die Rachel von gestern.« Sol kam herein, sah seine Tochter aufrecht im Bett sitzen und das Komlog immer noch fest umklammern; ihr Gesicht war blaß und ängstlich. »Daddy ...«
    Er setzte sich neben sie und ließ sie weinen ... die fünfundzwanzigste Nacht nacheinander.
     
    Acht Standardwochen nach ihrer Ankunft auf Renaissance winkten Sol und Sarai Rachel und Melio am Farcaster-Multiport von Da Vinci zum Abschied und farcasteten zurück nach Barnards Welt.
    »Ich finde, sie hätte das Krankenhaus nicht verlassen sollen«, murmelte Sarai, als sie mit dem Abendshuttle nach Crawford zurückkehrten. Der Kontinent unter ihnen bestand aus erntereifen Rechtecken.
    »Mutter«, sagte Sol und strich ihr übers Knie, »die Ärzte hätten sie ewig da behalten. Aber einzig wegen ihrer eigenen Neugier. Sie haben getan, was sie konnten, um ihr zu helfen ... erfolglos. Sie muß ihr Leben leben.«
    »Aber warum ist sie mit ... mit ihm weggegangen?« sagte Sarai. »Sie kennt ihn doch kaum.«
    Sol seufzte und lehnte sich in die Sitzpolster zurück. »In zwei Wochen wird sie sich überhaupt nicht mehr an ihn erinnern«, sagte er. »Jedenfalls nicht so, wie momentan. Aber versetz dich in ihre Lage, Mutter. Sie kämpft jeden Tag darum, sich in einer Welt zu orientieren, die verrückt geworden ist. Sie ist fünfundzwanzig Jahre alt und verliebt. Laß sie glücklich sein.«
    Sarai sah zum Fenster hinaus, dann betrachteten sie gemeinsam wortlos die rote Sonne, die wie ein Fesselballon am Rand von allem hing.
    Das zweite Semester war für Sol schon sehr weit

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