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Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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überzog die Plattform wie alte Flechten und machte sie fleckig.
    »Ich weiß nicht«, antwortete der Konsul, der ebenfalls schnaufte.
    Von der Plattform aus konnten sie weit über das Grasmeer blicken. Der Windwagen stand noch, wo sie ihn verlassen hatten, Segel gerefft, ein dunkles, lebloses Ding. Schneeböen sausten über die Prärie und vermittelten die Illusion weißer Schaumkronen auf den zahllosen hohen Grashalmen.
    »Bringen Sie das Material an Bord«, rief Kassad. »Ich will versuchen, ob das Laufwerk von der Bedienungskabine da oben aktiviert werden kann.«
    »Ist sie nicht automatisch?« fragte Martin Silenus, dessen kleiner Kopf in den dicken Pelzen fast nicht zu sehen war. »Wie der Windwagen?«
    »Das glaube ich nicht«, sagte Kassad. »Los doch, ich versuche, sie in Gang zu bringen.«
    »Und wenn die Kabine ohne Sie aufbricht?« rief Lamia dem Rücken des Oberst nach.
    »Wird sie nicht.«
     
    Das Innere der Seilbahnkabine war kalt und leer, abgesehen von Metallbänken im vorderen Abschnitt und einem Dutzend harter Pritschen im kleineren rückwärtigen Teil. Die Gondel war groß – mindestens achtzehn Meter lang und fünf breit. Der hintere Teil wurde vom vorderen durch eine dünne Stahlwand mit Toröffnung, aber ohne Tür, abgetrennt. Eine kleine Kommode nahm eine schrankgroße Ecke dieser Heckkammer ein. Fenster, die von Hüfthöhe bis zum Dach reichten, säumten den vorderen Abschnitt.
    Die Pilger hievten ihr Gepäck in die Mitte des breiten Fußbodens, stapften herum, ruderten mit den Armen oder bemühten sich sonstwie, warm zu bleiben. Martin Silenus lag in voller Länge auf einer der Bänke, und lediglich Füße und Scheitel ragten aus dem Pelz hervor. »Ich habe vergessen«, sagte er, »wie um alles in der Welt man die Heizung in diesem Ding einschaltet.«
    Der Konsul betrachtete die dunklen Beleuchtungspanele. »Die ist elektrisch. Sie schaltet sich ein, wenn uns der Oberst auf den Weg bringt.«
    »Wenn uns der Oberst auf den Weg bringt«, sagte Silenus.
    Sol Weintraub hatte Rachel die Windel gewechselt. Jetzt zog er ihr den Thermoanzug wieder an und wiegte sie auf den Armen. »Ich bin, wie gesagt, noch nie hier gewesen«, sagte er. »Die beiden Herren dagegen schon, ja?«
    »Klar«, stimmte der Dichter zu.
    »Nein«, antwortete der Konsul, »aber ich habe Bilder der Seilbahn gesehen.«
    »Kassad hat gesagt, er ist einmal auf diesem Weg nach Keats zurückgekehrt«, rief Brawne Lamia aus dem anderen Raum.
    »Ich glaube ...«, setzte Sol Weintraub an, wurde aber vom Knirschen von Zahnrädern und einem kräftigen Ruck unterbrochen, als sich die lange Kabine übelkeiterregend neigte und dann unter dem Kabel, das sich plötzlich bewegte, nach vorne schwang. Alle hasteten zu den Fenstern der Plattformseite.
    Kassad hatte seine Ausrüstung an Bord gebracht, bevor er die lange Leiter zur Steuerkabine hinaufgeklettert war. Jetzt erschien er in der Tür, rutschte die lange Leiter herunter und rannte zur Gondel. Diese glitt bereits am Ladebereich der Plattform vorbei.
    »Er schafft es nicht«, flüsterte Pater Hoyt.
    Kassad sprintete die letzten zehn Meter mit Beinen, die unmöglich lang wirkten, die Strichmännchenkarikatur eines Mannes.
    Die Gondel schwang aus dem Ladebereich und über den Rand der Plattform hinaus. Eine Kluft tat sich zwischen ihr und der Plattform auf. Acht Meter tiefer lagen die Felsen. Der Boden der Plattform war vereist. Kassad rannte mit voller Geschwindigkeit, während sich die Gondel unerbittlich immer weiter entfernte.
    »Los doch!« rief Brawne Lamia. Die anderen griffen den Ruf auf.
    Der Konsul sah nach oben, als die Eiskruste auf den Kabeln knisternd brach und Stücke herunterfielen, während die Gondel vorwärts und höher glitt. Er drehte sich wieder um. Zuviel Raum. Kassad würde es nie schaffen.
    Als Fedmahn Kassad den Rand der Plattform erreichte, bewegte er sich mit unglaublicher Geschwindigkeit. Der Konsul mußte zum zweiten Mal an einen Jaguar von der Alten Erde denken, wie er ihn im Zoo von Lusus gesehen hatte. Er rechnete halb damit, daß der Oberst auf dem Eis ausrutschen, die Beine horizontal unter ihm wegknicken und er lautlos auf die Felsen weiter unten stürzen würde. Statt dessen schien Kassad einen endlosen Augenblick zu fliegen, hatte die langen Arme ausgebreitet, und das Cape wehte hinter ihm. Er verschwand hinter der Gondel.
    Ein Poltern war zu hören, gefolgt von einer langen Zeitspanne, während der niemand etwas sagte oder sich bewegte. Sie waren

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