Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion
Wärme- und Bewegungssuchern verstecken kann.«
»Um meine Frage zu beantworten«, sagte Hoyt, der für einen Augenblick verstummte, als eine Woge von Schmerzen ihn durchlief, »es könnte sein, daß sich Kapitän Masteen mit der entsprechenden Ausrüstung irgendwo in einem geheimen Kabuff versteckt?«
»Möglich, aber unwahrscheinlich«, sagte Brawne Lamia. »Ich vermute, daß er nicht mehr an Bord ist.«
»Das Shrike«, sagte Martin Silenus in angeekeltem Tonfall. Es war keine Frage.
»Vielleicht«, sagte Lamia. »Oberst, Sie und der Konsul haben im fraglichen Zeitraum Wache gehabt. Sind Sie sicher, daß Sie nichts gehört und gesehen haben?«
Beide Männer nickten.
»Das Schiff war ruhig«, sagte Kassad. »Ich hätte den Kampf auch vor meiner Wache gehört.«
»Und ich habe nach meiner Wache nicht geschlafen«, sagte der Konsul. »Meine und Het Masteens Kabine haben ein gemeinsames Schott. Ich habe nichts gehört.«
»Nun«, sagte Silenus, »haben wir die Aussagen der beiden Männer gehört, die mit Waffen in der Dunkelheit herumgeschlichen sind, als der arme Kerl ermordet wurde. Sie sagen, sie sind unschuldig. Nächster Fall!«
»Wenn Masteen ermordet wurde«, sagte Kassad, »dann nicht mit einem Todesstrahler. Keine moderne lautlose Waffe, die ich kenne, vergießt soviel Blut. Es wurden keine Schüsse gehört und keine Einschußlöcher gefunden, daher gehe ich davon aus, daß M. Lamias automatische Pistole ebenfalls nicht verdächtig ist. Wenn es sich um das Blut von Kapitän Masteen handelt, dann würde ich sagen, daß eine Waffe mit Klinge benützt worden ist.«
»Das Shrike ist eine Waffe mit Klingen«, sagte Martin Silenus.
Lamia begab sich zu dem kleinen Gepäckstapel. »Durch Diskutieren werden wir nichts aufklären. Mal sehen, was Masteen für Habseligkeiten dabei hat.«
Pater Hoyt hob zögernd eine Hand. »Das ist ... nun, privat, oder nicht? Ich glaube nicht, daß wir ein Recht dazu haben.«
Brawne Lamia verschränkte die Arme. »Hören Sie, Pater, wenn Masteen tot ist, ist es ihm einerlei. Wenn er noch lebt, könnten wir einen Hinweis finden, wohin er gebracht worden ist, wenn wir seine Sachen durchsuchen. So oder so, wir müssen versuchen, einen Hinweis zu finden.«
Hoyt sah zweifelnd drein, nickte aber. Letztendlich stellte sich heraus, daß es keine Privatsphäre zu verletzen gab. In Masteens erster Truhe befand sich nur Wäsche zum Wechseln und eine Ausgabe von Muirs Buch des Lebens. In einer zweiten Tasche befanden sich hundert verschiedene schockgetrocknete Samenkapseln in feuchter Erde.
»Tempelritter müssen auf jeder Welt, die sie besuchen, mindestens hundert Ableger des Ewigen Baums pflanzen«, erklärte der Konsul. »Die Samen gehen selten auf, aber es ist ein Ritual.«
Brawne Lamia ging zu der großen Metallkiste, die unter dem restlichen Stapel gestanden hatte.
»Das nicht anrühren!« rief der Konsul.
»Warum nicht?«
»Es ist ein Möbiuskubus«, antwortete Kassad für den Konsul. »Eine Kohlenstoff-Kohlenstoff-Hülle um ein Null-Impedanz-Sperrfeld, das in sich selbst gekrümmt ist.«
»Na und?« sagte Lamia. »In Möbiuskuben werden Kunstgegenstände und sowas versiegelt. Sie explodieren nicht.«
»Nein«, stimmte der Konsul zu, »aber was sie enthalten, könnte explodieren. Es könnte sogar schon explodiert sein, was das betrifft.«
»Ein Kubus dieser Größe könnte eine Kernexplosion von einer Kilotonne bändigen, wenn sie während der Nanosekunde der Zündung darin eingeschlossen ist«, fügte Fedmahn Kassad hinzu.
Lamia betrachtete die Truhe stirnrunzelnd. »Woher sollen wir dann wissen, daß nichts da drinnen Masteen getötet hat?«
Kassad deutete auf einen sanft leuchtenden Streifen beim einzigen Saum der Truhe. »Er ist versiegelt. Wurde er einmal geöffnet, muß ein Möbiuskubus an einem Ort reaktiviert werden, wo Sperrfelder erzeugt werden können. Was da drinnen ist, hat Kapitän Masteen nichts getan.«
»Also können wir nicht erfahren, was es ist?« fragte Lamia.
»Ich habe eine Vermutung«, sagte der Konsul.
Die anderen sahen ihn an. Rachel fing an zu weinen, und Sol zog den Hitzestreifen an einer Nahrungspackung.
»Wissen Sie noch«, sagte der Konsul, »wie M. Masteen gestern in Edge soviel Aufhebens um die Truhe gemacht hat? Er sprach davon, als wäre sie eine Geheimwaffe.«
»Eine Waffe?« sagte Lamia.
»Natürlich!« sagte Kassad plötzlich. »Ein Erg!«
»Erg?« Martin Silenus betrachtete die kleine Kiste. »Ich habe gedacht, Ergs wären
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