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Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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bei mir trug, und machte mich daran, das Sakrament der Letzten Ölung durchzuführen. Niemand in der versammelten Menge erhob Einwände. Der gestürzte Mann regte sich einmal, räusperte sich, als wollte er etwas sagen, und starb. Die Menge hatte sich verlaufen, noch ehe der Leichnam abtransportiert wurde.
    Der Mann war mittleren Alters, hatte sandfarbenes Haar und war leicht übergewichtig. Er trug keine Identifizierung bei sich, nicht einmal eine Universalkarte oder ein Komlog. Er hatte sechs Silbermünzen in der Tasche.
    Aus unerfindlichen Gründen beschloß ich, den Rest des Tages bei dem Toten zu bleiben. Der Arzt war ein kleiner, zynischer Mann, der mir erlaubte, bei der vorgeschriebenen Autopsie dabei zu sein. Ich vermute, er sehnte sich nach Unterhaltung.
    »Mehr als das hier ist es nicht wert«, sagte er, während er den Bauch des unglücklichen Mannes wie einen rosa Sack aufschnitt und die Hautfalten und Muskeln zurückklappte und feststeckte wie Zeltplanen.
    »Was?« fragte ich.
    »Sein Leben«, sagte der Arzt und zog die Gesichtshaut des Leichnams ab wie eine fettige Maske. »Ihr Leben.
    Mein Leben.« Um das ungleichmäßige Loch dicht über dem Wangenknochen wurden die roten und weißen Streifen überlappender Muskeln blau wie Blutergüsse.
    »Es muß mehr als das sein«, sagte ich.
    Der Arzt sah mit einem nachdenklichen Lächeln von seiner grimmigen Arbeit auf. »Tatsächlich?« sagte er. »Bitte zeigen Sie es mir.« Er hob das Herz des Mannes und schien es mit einer Hand zu wiegen. »In den Netz-Welten wäre dies auf dem freien Markt einiges an Geld wert. Es gibt Menschen, die zu arm sind, als daß sie sich gezüchtete, geklonte Teile auf Vorrat leisten könnten, die aber zu wohlhabend sind, einfach mangels eines Herzens zu sterben. Aber hier draußen ist es bloß Abfall.«
    »Es muß mehr geben«, sagte ich, obwohl ich wenig Überzeugung empfand. Ich erinnerte mich an das Begräbnis Seiner Heiligkeit Papst Urbans XV. kurz vor meiner Abreise von Pacem. Wie es seit Prä-Hegira-Zeiten Sitte ist, wurde der Leichnam nicht einbalsamiert. Er wartete in einem Nebenraum der Basilika darauf, in den schlichten Holzsarg gebettet zu werden. Als ich Edouard und Monsignore Frey half, dem steifen Leichnam das Ornat anzulegen, fielen mir die braungefärbte Haut und der schlaffe Mund auf.
    Der Arzt zuckte die Achseln und beendete die oberflächliche Autopsie. Die offiziellen Ermittlungen waren kurz. Kein Verdächtiger wurde gefunden, kein Motiv genannt. Eine Beschreibung des Ermordeten wurde nach Keats geschickt, aber der Mann selbst wurde am nächsten Tag auf dem Armenfriedhof zwischen den Schlammebenen und dem gelben Dschungel beigesetzt.
    Port Romance ist ein Wirrwarr von gelben Wehrholzbauwerken auf einem Labyrinth von Gerüsten und Planken, die sich bis weit über die verschlammten Gezeitenbecken an der Mündung des Kans erstrecken. Hier, wo er sich in die Bucht von Toschahai ergießt, ist der Fluß fast zwei Kilometer breit, aber nur wenige Kanäle sind passierbar, und das Baggern dauert Tag und Nacht an. Ich liege jede Nacht in meinem billigen Zimmer wach und lausche dem Klopfen des Baggerhammers, das sich anhört wie der Herzschlag dieser abscheulichen Stadt, dessen feuchter Atem das ferne Säuseln der Brandung ist. Heute abend höre ich den Atem der Stadt und kann nicht anders, als ihr das abgehäutete Gesicht des ermordeten Mannes zu verleihen.
    Die Firmen unterhalten einen Gleiterhafen am Stadtrand, von wo Arbeiter und Material zu den größeren Plantagen im Landesinneren geschafft werden, aber ich habe nicht genug Geld, mir durch Bestechung einen Weg an Bord erkaufen zu können. Besser gesagt, ich selbst könnte schon an Bord, aber den Transport meiner drei Kisten medizinischer und wissenschaftlicher Ausrüstung kann ich mir nicht leisten. Dennoch bin ich versucht. Jetzt kommt mir meine Suche nach den Bikura absurder und irrationaler vor als jemals vorher. Nur mein seltsames Bedürfnis nach einem Ziel und eine gewisse masochistische Entschlossenheit, die Bedingungen meiner selbstauferlegten Verbannung zu erfüllen, treiben mich zur Fahrt flußaufwärts.
    In zwei Tagen läuft ein Schiff den Kans hinauf aus. Ich habe eine Passage gebucht und werde morgen meine Kisten an Bord schaffen. Es wird mir nicht schwerfallen, Port Romance hinter mir zu lassen.
     
    Tag 41:
    Die Emporotic Girandole setzt ihre langsame Fahrt flußaufwärts fort. Keine Anzeichen von Besiedlung, seit wir Melton's Landing vor zwei Tagen

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