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Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Ein Pilger muß aus freiem Willen zu den Gräbern kommen.«
    »Aber das hat sie einmal getan«, sagte Hoyt. »Vielleicht qualifiziert sie das.«
    »Nein«, sagte der Konsul.
    Martin Silenus hatte sich Notizen auf einem Block gemacht, nun stand er auf und schritt durch den Raum. »Himmel Herrgott, Leute, seht uns doch an! Wir sind nicht sechs Pilger, wir sind eine ganze Bande. Hoyt hier mit seiner Kruziform, in der der Geist von Paul Duré enthalten ist. Unser ›halbintelligenter‹ Erg dort in der Kiste. Oberst Kassad mit seinen Erinnerungen an Moneta. M. Brawne hier, die, so wir ihr glauben, nicht nur ein ungeborenes Kind in sich trägt, sondern auch einen toten romantischen Dichter. Unser Gelehrter mit dem Kind, das einst seine erwachsene Tochter war. Ich mit meiner Muse. Der Konsul mit seinem wie auch immer gearteten Gepäck, das er auf diese wahnsinnige Reise mitgebracht hat. Mein Gott, Leute, wir hätten eine Gruppenpauschale für diesen Ausflug bekommen sollen.«
    »Setzen Sie sich!« sagte Lamia in gefährlich leisem Tonfall.
    »Nein, er hat recht«, sagte Hoyt. »Sogar die Anwesenheit von Pater Duré als Kruziform muß den Aberglauben von wegen Primzahl irgendwie beeinflussen. Ich würde sagen, wir brechen morgen früh auf und hoffen ...«
    »Seht!« schrie Brawne Lamia und deutete zur Balkontür hinaus, wo die Abenddämmerung von pulsierendem Licht verdrängt worden war.
    Die Gruppe ging hinaus in die kühle Abendluft und schirmte die Augen vor dem atemberaubenden Schauspiel der lautlosen Detonationen ab, die den Himmel erfüllten: grellweiße Fusionsflammen dehnten sich wie Explosivwellen über einen lapislazulifarbenen See aus; kleinere, grellere Plasmaimplosionen in blau und gelb und rot falteten sich nach innen wie Blumen, die sich zur Nacht schlössen: der Lichtertanz gigantischer Höllenpeitschensalven, Strahlen vom Durchmesser kleiner Welten, die sich einen Weg über Lichtminuten hinweg bahnten und von den Gezeitenkräften der Defensivsingularitäten abgelenkt wurden: das Nordlichtleuchten von Defensivfeldern, die im Ansturm unvorstellbarer Energie wankten, zusammenbrachen und Nanosekunden später neu entstanden. Und inmitten von alledem die blauweißen Fusionsstrahlen von Fregatten und den schweren Schlachtkreuzern, die perfekte Linien über den Himmel zogen wie Diamanten, die Rillen in blaues Glas ritzten.
    »Die Ousters«, hauchte Brawne Lamia.
    »Der Krieg hat begonnen«, sagte Kassad. Seine Stimme verriet keine Hochstimmung; überhaupt keinerlei Gefühlsregung.
    Der Konsul stellte erschrocken fest, daß er leise weinte. Er wandte das Gesicht von der Gruppe ab.
    »Sind wir hier in Gefahr?« fragte Martin Silenus. Er hatte sich unter den Steinbogen der Tür zurückgezogen und blinzelte in das grelle Spektakel.
    »In dieser Entfernung nicht«, sagte Kassad. Er hob das Gefechtsfernglas, stellte es ein und konsultierte sein taktisches Komlog. »Die Gefechte sind mindestens drei AE entfernt. Die Ousters testen lediglich die Verteidigungseinrichtungen von FORCE:Weltraum.« Er ließ das Fernglas sinken. »Es hat erst angefangen.«
    »Ist der Farcaster schon aktiviert worden?« fragte Brawne Lamia. »Werden die Menschen aus Keats und den anderen Städten schon evakuiert?«
    Kassad schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Noch nicht. Die Flotte wird Hinhaltemanöver durchführen, bis die cislunare Sphäre vollständig ist. Dann werden die Evakuierungsportale zum Netz geöffnet werden, während die FORCE-Einheiten zu Hunderten durchkommen.« Er hob das Fernglas wieder. »Das wird ein Schauspiel.«
    »Sehen Sie!« Diesmal deutete Pater Hoyt allerdings nicht auf das Feuerwerk am Himmel, sondern über die flachen Dünen der nördlichen Moore. Mehrere Kilometer in Richtung der unsichtbaren Gräber konnte man eben noch eine einzelne Gestalt erkennen, ein winziges Pünktchen, das unter dem aufgewühlten Himmel einen vielfachen Schatten warf.
    Kassad richtete das Glas auf die Gestalt.
    »Das Shrike?« fragte Lamia.
    »Nein, ich glaube nicht ... ich glaube, es ist ... ein Tempelritter, der Robe nach zu urteilen.«
    »Het Masteen!« rief Pater Hoyt.
    Kassad zuckte die Achseln und reichte das Glas herum. Der Konsul kam zur Gruppe zurück und lehnte sich aufs Balkongeländer. Außer dem Flüstern des Windes war kein Laut zu hören, aber das machte die Gewalt der Explosionen über ihnen irgendwie um so geheimnisvoller.
    Als die Reihe an ihn kam, nahm auch der Konsul das Fernglas und sah durch. Die Gestalt war

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