Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion
nach Rauch und Asche.
Die Veränderung der Vegetation hier oben auf dem Plateau ist verblüffend. Von dem allgegenwärtigen Wehrholz und den Chalma mit ihren fleischigen Blättern ist keine Spur mehr zu sehen. Nachdem wir durch eine zwischenliegende Zone mit kleinem Immergrün und Immerblau gekommen sind, und nach einem weiteren Aufstieg durch dichte Haine mutierter Murrayskiefern und Triaspen gelangten wir ins Gebiet des Flammenwalds mit seinen Inseln aus Prometheusbäumen, Ausläufern der unvermeidlichen Phoenixstauden und rundlichen Gruppen bernsteinfarbener Flammenzüngler. Gelegentlich stießen wir auf undurchdringliche Dickichte der weißen, faserigen, gabelförmigen Asbestpflanzen, deren Aussehen Tuk bildgewaltig mit »...wie de verwesenden Pimmel von ollen Riesen, die da begram sind, dat steht fest ...« beschrieb. Mein Führer kann mit Worten umgehen.
Es wurde Spätnachmittag, bis wir unseren ersten Teslabaum sahen. Eine halbe Stunde schleppten wir uns über aschebedeckten Waldboden und bemühten uns, nicht auf die zarten Schößlinge von Phoenixstauden und Feuerwippen zu treten, die zaghaft aus dem rußigen Boden sprossen, als Tuk stehenblieb und deutete.
Der Teslabaum, der immer noch einen halben Kilometer entfernt stand, war mindestens hundert Meter hoch, fast doppelt so hoch wie der höchste Prometheus. Nahe der Krone befand sich die unverwechselbare zwiebelförmige Ausbuchtung der Akkumulatorblase. An den kranzförmigen Ästen über der Blase befanden sich Dutzende Nimbusreben, die samt und sonders silbern und metallisch vor dem grünen und türkisfarbenen Himmel aussahen. Ich mußte bei dem Anblick unwillkürlich an eine elegante Hohe Moschee der Moslems auf Neu Mekka denken, die respektlos mit billigem Flitter geschmückt wurde.
»Wir müssen de Brids un' unsre Ärsche schnellstens hier fortschaffen«, grunzte Tuk. Er bestand darauf, daß wir auf der Stelle die Kleidung für die Flammenwälder anlegten. Den Rest des Nachmittags und Abends stapften wir mit unseren Osmosemasken und dicken Stiefeln mit Gummisohlen weiter und schwitzten unter den steifen Schichten der ledrigen Gammakleidung. Beide Brids waren nervös und spitzten die langen Ohren beim leisesten Geräusch. Ich konnte das Ozon sogar durch die Maske riechen; es erinnerte mich an die elektrischen Eisenbahnen, mit denen ich als Kind an ruhigen Weihnachtsnachmittagen in Villefranche-sur-Saône gespielt hatte.
Heute abend haben wir unser Lager so dicht wie möglich an einem Asbesthain aufgeschlagen. Tuk hat mir gezeigt, wie ich den Ring der Ableiterpflöcke einschlagen muß und dabei unaufhörlich abgedroschene Warnungen vor sich hingemurmelt und dazu noch nach Wolken am Abendhimmel gesucht.
Ich gedenke, trotz allem gut zu schlafen.
Tag 84:
04.00 Uhr:
Heilige Mutter Gottes.
Drei Stunden lang haben wir mitten im Weltuntergang gesteckt.
Die Explosionen fingen kurz nach Mitternacht an, anfangs lediglich Blitz und Donner, und Tuk und ich steckten wider besseres Wissen die Köpfe zum Zelt hinaus, um das pyrotechnische Schauspiel zu verfolgen. Ich bin an die Monsunstürme des Matthäusmonats auf Pacem gewöhnt, daher schienen mir die Blitze während der ersten Stunde nicht allzu ungewöhnlich zu sein. Lediglich der Anblick der fernen Teslabäume als immerwährender Brennpunkt der atmosphärischen Entladungen war etwas nervenaufreibend. Doch wenig später glühten diese Giganten des Waldes und versprühten ihre akkumulierte Energie, und da wurde – als ich trotz des anhaltenden Lärms gerade wieder einschlafen wollte – das wahre Armageddon entfesselt.
Mindestens hundert Lichtbögen Elektrizität müssen in den ersten zehn Sekunden der anfänglichen Stöße gewaltiger Energie der Teslabäume freigesetzt worden sein. Keine dreißig Meter von uns entfernt explodierte ein Prometheus und ließ brennende Trümmer über fünfzig Meter hinweg auf den Waldboden regnen. Die Ableiterpflöcke glühten und reflektierten Bogen um Bogen blauweißen Todes rings um und über der kleinen Lagerstätte. Tuk schrie etwas, aber bloße Menschenlaute waren über das Toben von Licht und Lärm hinweg nicht zu hören. Ein Stück des verstreuten Phoenix loderte bei den festgezurrten Brids auf, und eines der erschrockenen Tiere riß sich geblendet los und sprang durch den Kreis glühender Ableiterpflöcke. Sofort schössen ein halbes Dutzend Lichtbögen vom nächstgelegenen Teslabaum auf das unglückliche Tier zu. Einen irren Sekundenbruchteil hätte ich
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