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Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Waffe und nahm die Machete, die ich im Regenwald benutzt hatte, und einen Niedervoltstrahler, mit dem ich Kleinwild hatte jagen wollen. Ob ich die Waffen gegen einen Menschen eingesetzt hätte, und sei es, um mein eigenes Leben zu retten, weiß ich nicht. Aber in meiner Panik trug ich die Machete, den Strahler und das Energiefernglas zu einem hohen Felsen bei der Kluft und suchte die Gegend nach einer Spur der Mörder ab. Nichts regte sich, abgesehen von den winzigen Baumlebewesen und Sommerfäden, die wir gestern zwischen den Bäumen hatten schweben sehen. Der Wald selbst wirkte unnatürlich dicht und dunkel. Die Kluft bot Hunderte von Terrassen, Simse und Felsbalkone im Nordosten, wo sich ganze Heerscharen Banditen hätten verstecken können. Eine Armee hätte dort in den Klüften und dem ewigen Nebel Unterschlupf finden können.
    Nach dreißig Minuten vergeblicher Wache und närrischer Feigheit kehrte ich zum Lager zurück und bereitete Tuks Leichnam zum Begräbnis vor. Ich brauchte mehr als zwei Stunden, bis ich im steinigen Boden des Plateaus ein Grab ausgehoben hatte. Als ich es zugeschüttet hatte und der offizielle Gottesdienst vorbei war, fiel mir nichts Persönliches über die derbe, komische kleine Person ein, die mein Führer gewesen war. »Herr, erbarme dich seiner«, sagte ich zuletzt und ekelte mich vor meiner eigenen Scheinheiligkeit und der Gewißheit in meinem Herzen, daß ich die Worte einzig und allein zu mir selbst sprach. »Laß ihm eine sichere Überfahrt zuteil werden. Amen.«
    Heute abend habe ich mein Lager einen halben Kilometer nach Norden verlegt. Das Zelt steht auf einem Stück offenem Gelände zehn Meter entfernt, ich aber sitze mit dem Rücken an einem Felsen, habe den Schlafsack um mich gehüllt und Machete und Strahler griffbereit. Nach Tuks Beerdigung habe ich die Vorräte und Kisten mit Ausrüstung durchgesehen. Nichts war mitgenommen worden, abgesehen von den wenigen verbliebenen Ableiterpflöcken. Ich fragte mich unwillkürlich, ob uns jemand durch den Flammenwald gefolgt war, um Tuk zu ermorden, damit ich hier festsaß, aber mir fiel kein Motiv für eine derart aufwendige Vorgehensweise ein. Jeder von den Plantagen hätte uns töten können, als wir in den Regenwäldern schliefen, oder – vom Standpunkt des Mörders aus gesehen – tief in den Flammenwäldern, wo sich niemand über zwei verkohlte Leichen gewundert hätte. Damit blieben die Bikura. Meine primitiven Auserwählten.
    Ich habe daran gedacht, ohne die Pflöcke durch den Flammenwald zurückzukehren, den Einfall aber bald aufgegeben. Es bedeutet möglicherweise den Tod, wenn ich bleibe, aber den sicheren Tod, wenn ich umkehre.
    Drei Monate, bis die Ruheperiode der Teslas anfängt. Einhundertzwanzig der sechsundzwanzigstündigen hiesigen Tage. Eine Ewigkeit.
    Lieber Gott, warum ist das über mich gekommen? Und warum wurde ich letzte Nacht verschont, nur um in dieser geopfert zu werden ... oder der nächsten?
    Ich sitze hier in der zunehmend dunkleren Felsspalte und höre das plötzliche geheimnisvolle Stöhnen, das mit dem Nachtwind aus der Kluft emporsteigt und bete, während die blutroten Streifen der Meteore den Himmel überziehen.
    Spreche Worte zu mir selbst.
     
    Tag 95:
    Die Schrecken der letzten Woche sind weitgehend gewichen. Ich mußte feststellen, daß nach ereignislosen Tagen selbst die Angst nachläßt und gewöhnlich wird.
    Ich habe mit der Machete kleine Bäume zum Bau eines Schuppens gefällt, dessen Dach und Wände ich mit Gammastoff bespannt und zwischen den Stämmen mit Lehm abgedichtet habe. Die Rückwand besteht aus dem soliden Stein der Felsen. Ich habe meine Forschungsausrüstung durchgesucht und einiges aussortiert, obwohl ich glaube, daß ich es jetzt nie mehr benützen werde.
    Ich habe mit Sammelausflügen begonnen, um meinen zunehmend schwindenden Vorrat an gefriergetrocknetem Essen aufzufrischen. Mittlerweile müßte ich, dem absurden Plan folgend, der vor so langer Zeit auf Pacem begründet wurde, seit einigen Wochen unter den Bikura leben und Kleinigkeiten gegen hiesiges Essen eintauschen. Einerlei. Außer meiner Diät aus Chalmawurzeln, die nach nichts schmecken, aber leicht zu kochen sind, habe ich ein halbes Dutzend Arten von Beeren und kleineren Früchten gefunden, die eßbar sind, wie mir das Komlog verrät; bisher habe ich mir nur mit einer Art so sehr den Magen verdorben, daß ich die ganze Nacht am Rand der nächstgelegenen Felsspalte hocken mußte.
    Ich schreite die Grenzen der

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