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Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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der Zeit hat? Aber Del schien zu verstehen. Er nickte.
    Ermutigt fragte ich: »Und wann wird der nächste der Fünf Dutzend und Zehn geboren werden? Zurückkehren?«
    »Niemand kann zurückkehren, bevor er stirbt«, sagte er.
    Plötzlich glaubte ich zu verstehen. »Also kommen keine neuen Kinder ... niemand kehrt zurück, bis jemand gestorben ist«, sagte ich. »Ihr ersetzt den Fehlenden durch einen anderen, damit die Gruppe bei Fünf Dutzend und Zehn bleibt?«
    Del antwortete mit der Art von Schweigen, die ich als Zustimmung zu interpretieren gelernt hatte.
    Das Muster schien logisch zu sein. Den Bikura war es sehr ernst mit ihren Fünf Dutzend und Zehn. Sie hielten die Stammesbevölkerung bei siebzig – die Zahl, die in den Passagierlisten des Landungsboots vermerkt war, das vor vierhundert Jahren hier notlanden mußte. Der Zufall ist hier so gut wie ausgeschaltet. Wenn jemand stirbt, gestatten sie, daß ein Kind geboren wird, um den Erwachsenen zu ersetzen. Einfach.
    Einfach aber unmöglich. Natur und Biologie funktionieren nicht so ordentlich. Außer dem Problem minimaler Bevölkerungszahlen gab es noch weitere Absurditäten. Auch wenn es schwer ist, das Alter dieser glatten Menschen zu bestimmen, ist eindeutig, daß nicht mehr als zehn Jahre den Ältesten vom Jüngsten trennen. Sie benehmen sich zwar wie Kinder, aber ich würde schätzen, daß ihr Alter sich zwischen Ende dreißig und Mitte vierzig in Standardjahren bewegt. Wo also sind die ganz Alten? Wo sind die Eltern, alternden Onkel und unverheirateten Tanten? Im momentanen Zustand wird der ganze Stamm gleichzeitig alt werden. Was passiert, wenn sie alle über dem gebärfähigen Alter sind und die Zeit kommt, Stammesmitglieder zu ersetzen?
    Die Bikura führen ein langweiliges, seßhaftes Leben. Die Unfallrate muß – selbst so nahe am Rand der Kluft – gering sein. Es gibt keine Raubtiere. Jahreszeitlich bedingte Schwankungen sind minimal, der Nahrungsmittelvorrat bleibt mit ziemlicher Sicherheit stabil. Aber selbst wenn man das alles akzeptiert, muß es in der vierhundertjährigen Geschichte dieser verblüffenden Gruppe Zeiten gegeben haben, als Krankheiten das Dorf heimsuchten, als mehr als die übliche Anzahl Ranken rissen und Bewohner in die Kluft stürzten oder etwas eine abnormale Häufung von Todesfällen bewirkte, vor denen es Versicherungsgesellschaften schon seit urdenklichen Zeiten graust.
    Und was dann? Vermehren sie sich, bis die Differenz wettgemacht ist, und kehren dann zu ihrem derzeitigen geschlechtslosen Leben zurück? Unterscheiden sich die Bikura so sehr von allen anderen bekannten menschlichen Gesellschaften, daß sie alle paar Jahre eine Brunftzeit haben – einmal pro Jahrzehnt? – einmal im Leben? Das ist zu bezweifeln.
    Ich sitze hier in meiner Hütte und denke über die Möglichkeiten nach. Eine ist, daß diese Menschen eine sehr lange Lebensspanne haben und sich die meiste Zeit davon vermehren können, was es einfach machen würde, Unfallopfer zu ersetzen. Aber das erklärt nicht ihr einhelliges Alter. Und es existiert kein Mechanismus, der diese Langlebigkeit erklären würde. Die besten altershemmenden Drogen, die die Hegemonie zu bieten hat, können eine aktive Lebensspanne bestenfalls ein wenig über die Hundert-Standardjahre-Marke anheben. Vorbeugende Gesundheitsmaßnahmen haben die Vitalität der Lebensmitte bis weit über sechzig erhalten können – mein Alter –, aber abgesehen von Klontransplantaten, Biotechnik und anderem Firlefanz der Schwerreichen kann niemand im Weltennetz damit anfangen, eine Familie zu planen, wenn er über siebzig ist, oder damit rechnen, daß er an seinem hundertzehnten Geburtstagsfest noch tanzen kann. Wenn der Verzehr von Chalmawurzeln oder die reine Luft des Pinion Plateaus eine dramatische Wirkung auf die Verlangsamung des Alterungsprozesses haben würden, könnte man davon ausgehen, daß alle auf Hyperion hier leben und Chalma kauen würden, daß dieser Planet schon vor Jahrhunderten einen Farcaster bekommen hätte und daß jeder Bürger der Hegemonie, der eine Universalkarte besitzt, den Vorsatz fassen würde, Ferien und Ruhestand hier zu verbringen.
    Nein, eine logischere Schlußfolgerung ist, daß die Bikura eine normale Lebensspanne haben und in normalen Abständen Kinder bekommen, diese aber töten, wenn kein Ersatz gebraucht wird. Sie praktizieren vielleicht Abstinenz oder Geburtenkontrolle – davon abgesehen, daß sie die Neugeborenen abschlachten –, bis die ganze Bande in ein

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