Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion
Tatsache nachgedacht. Mich interessierten die Bikura – und eigentlich am meisten der selbst zugefügte Schmerz meiner Verbannung –, nicht die Labyrinthe oder ihre Erbauer.
Neun Welten besitzen ein Labyrinth. Neun von hundertsechsundsiebzig Netzwelten und weiteren rund zweihundert Kolonialwelten und Protektoratsplaneten. Neun Welten von achttausend oder mehr Welten, die – wie oberflächlich auch immer – seit der Hegira untersucht worden sind.
Es gibt planetarische Archäohistoriker, die ihr Leben dem Studium der Labyrinthe gewidmet haben. Ich nicht. Ich habe sie stets für sterile Gegenstände gehalten, vage unwirklich. Jetzt ging ich mit den Fünf Dutzend und Zehn auf eines zu, während der Fluß Kans brüllte und vibrierte und unsere Fackeln mit seiner Gischt auszulöschen drohte.
Die Labyrinthe wurden vor mehr als einer Dreiviertelmillion Standardjahren – gegraben ... gebohrt ... geschaffen. Die Einzelheiten waren unweigerlich dieselben, ihr Ursprung unweigerlich ungeklärt.
Labyrinthwelten sind immer erdähnlich, mindestens bis 7.9 auf der Solmev-Skala, umkreisen stets einen Stern vom Typ G, sind aber stets auf Welten beschränkt, die tektonisch tot sind, dem Mars ähnlicher als der Alten Erde. Die Tunnel selbst sind tief angelegt – normalerweise mindestens zehn Kilometer, nicht selten bis zu dreißig – und durchziehen wie Katakomben die Planetenrinde. Auf Swoboda, nicht weit von Pacems System entfernt, wurden über achthunderttausend Kilometer Labyrinth von ferngesteuerten Sonden erforscht. Die Tunnels auf jeder Welt messen dreißig Meter im Quadrat und sind mittels einer Technologie angelegt, die der Hegemonie noch nicht zur Verfügung steht. Ich habe einmal in einer archäologischen Fachzeitschrift gelesen, daß Kemp-Höltzer und Weinstein einen ›Fusionstunnelbohrer‹ postuliert haben, mit dem man die perfekt glatten Wände und fehlenden Säume erklären könnte, aber ihre Theorie hat nicht erklärt, woher die Erbauer und ihre Maschinen gekommen sind oder warum sie Jahrhunderte für eine offenbar sinnlose bauliche Arbeit aufgewendet haben. Jede Labyrinthwelt – einschließlich Hyperion – ist untersucht und erforscht worden. Nichts wurde je gefunden. Keine Spuren von Ausschachtungsmaschinen, keine verrosteten Bergarbeiterhelme, nicht ein einziges Stück zertrümmertes Plastik oder verfaulendes Packpapier. Die Forscher haben nicht einmal Eingangsund Ausgangsschächte identifizieren können. Keine Spur von Schwermetallen oder seltenen Erden war ausreichend, die monumentale Anstrengung zu erklären. Keine Legenden oder Artefakte der Labyrintherbauer sind erhalten geblieben. Das Geheimnis hatte mich im Lauf der Jahre am Rand interessiert, aber nie persönlich betroffen. Bis jetzt.
Wir betraten den Tunneleingang. Dieser war kein perfektes Quadrat mehr. Erosion und Schwerkraft hatten aus dem makellosen Tunnel bis etwa hundert Meter in die Klippenwand hinein eine rohe Höhle gemacht. Beta blieb an der Stelle stehen, wo der Tunnelboden wieder glatt wurde, und löschte seine Fackel. Die anderen Bikura folgten seinem Beispiel.
Es war sehr dunkel. Der Tunnel hatte eine Biegung gemacht, die jegliches Sternenlicht abhielt, das bis hier herunter hätte dringen können. Ich war schon in Höhlen gewesen. Ich rechnete nicht damit, daß sich meine Augen an die fast völlige Dunkelheit anpassen würden, nachdem die Fackeln gelöscht waren. Aber sie paßten sich an.
Innerhalb von dreißig Sekunden nahm ich einen rosigen Schimmer wahr, anfangs schwach, doch dann immer leuchtender, bis die Höhle heller war als die Schlucht draußen, heller als Pacem im Schein seiner drei Monde.
Das Licht entsprang hundert Quellen – tausend Quellen. Es gelang mir, die Natur dieser Lichtquellen auszumachen, als die Bikura unterwürfig auf die Knie sanken.
Wände und Decke der Höhle waren mit Kreuzen übersät, deren Größe von wenigen Millimetern bis zu fast einem Meter reichte. Jedes leuchtete in einem inneren rosa Licht. Dieses Leuchten, das im Schein der Fackeln unsichtbar war, überflutete den Tunnel jetzt mit Licht. Ich näherte mich einem, das in meiner Nähe in die Wand eingebettet war. Es maß etwa dreißig Zentimeter und pulsierte mit einem sanften, organischen Schein. Dies war nichts, das aus dem Stein gemeißelt oder an der Wand befestigt worden war; es war eindeutig organisch, eindeutig lebend und ähnelte weicher Koralle. Es fühlte sich etwas warm unter der Berührung an.
Das leiseste Flüstern eines
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