Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion
Meter entfernt wartend da und blinzelte in die Helligkeit.
Er blickte auf, wich aber nicht zurück, als er den Fusionsschweif eines landenden Raumschiffs erblickte, das den Himmel vor der Dämmerung durchschnitt. Er drehte sich um und sah hin, wich aber nicht zurück, als er das Raumschiff landen und drei Gestalten herauskommen sah. Er sah sich um, wich aber nicht zurück, als er andere Geräusche hörte, Rufe weiter drinnen im Tal, und eine vertraute Gestalt erkannte, die eine zweite im Tragegriff hielt und von jenseits des Jadegrabs auf ihn zukam.
Das alles hatte nichts mit seinem Kind zu tun. Er wartete auf Rachel.
Auch ohne Datensphäre ist es meiner Persönlichkeit durchaus möglich, durch die dicke Suppe der Bindenden Leere zu reisen, die Hyperion jetzt umgibt. Meine erste Reaktion ist, daß ich den Kommenden besuchen will, aber obzwar dessen Glanz die Metasphäre beherrscht, bin ich dafür noch nicht bereit. Schließlich bin ich der kleine John Keats, nicht Johannes der Täufer.
Die Sphinx – ein Grab, das nach einer wahrhaftigen Kreatur gestaltet ist, die Genetiker erst in Jahrhunderten entwerfen werden – ist ein Mahlstrom temporaler Energien. Für meine gesteigerte Sehfähigkeit sind tatsächlich mehrere Sphinxe sichtbar: das antientropische Grab, das seine Fracht, das Shrike, in der Zeit rückwärts transportiert wie ein versiegelter Behälter tödliche Bazillen, die aktive, instabile Sphinx, die Rachel Weintraub bei ihren ersten Bemühungen kontaminierte, ein Portal durch die Zeit aufzutun, und die Sphinx, die sich geöffnet hat und sich wieder vorwärts durch die Zeit bewegt. Diese letzte Sphinx ist das grelle Portal des Lichts, das nur vom Kommenden übertroffen Hyperion mit seinem Freudenfeuer in der Metasphäre erhellt.
Ich komme gerade rechtzeitig zu diesem grellen Ort, daß ich sehen kann, wie Sol Weintraub dem Shrike seine Tochter gibt.
Selbst wenn ich früher eingetroffen wäre, hätte ich nicht in dieses Ereignis eingreifen können. Selbst wenn ich gekonnt hätte, hätte ich es nicht getan. Welten jenseits aller Vorstellung hängen von dieser Tat ab.
Aber ich warte in der Sphinx, bis das Shrike, das seine empfindliche Last trägt, vorbeikommt. Jetzt kann ich das Kind sehen. Rachel ist Sekunden alt, fleckig, feucht und runzlig. Sie schreit sich die neugeborenen Lungen aus dem Hals. Wegen meiner alten Junggesellengewohnheiten und dem kontemplativen Standpunkt des Dichters fällt es mir schwer, die Faszination zu verstehen, die dieses plärrende, unansehnliche Kind auf seinen Vater und den Kosmos ausübt.
Und doch rührt der Anblick der Babyhaut – so unattraktiv dieses Neugeborene sein mag – in den Klingen und Klauen des Shrike etwas in mir.
Drei Schritte in die Sphinx hinein haben das Shrike und das Kind Stunden in der Zeit vorwärts befördert. Unmittelbar vor dem Eingang fließt der Strom der Zeit schneller. Wenn ich nicht innerhalb von Sekunden etwas unternehme, wird es zu spät sein – dann wird das Shrike dieses Portal benützt haben, um das Kind in das dunkle, in ferner Zukunft gelegene Loch zu bringen, das es sucht.
Ungewollt drängen sich mir Bilder auf von Spinnen, die ihren Opfern die Lebenssäfte aussaugen, von Schlupfwespen, die ihre Larven in den gelähmten Leibern ihrer Beute ablegen, perfekte Umfelder zum Ausbrüten und für Nahrung.
Ich muß handeln, besitze hier aber nicht mehr Stofflichkeit als im Core. Das Shrike schreitet durch mich hindurch, als wäre ich ein unsichtbares Holo. Mein Persönlichkeitsanalogon ist hier nutzlos, armlos und substanzlos wie ein Wölkchen Sumpfgas.
Aber Sumpfgas besitzt kein Gehirn, John Keats dagegen schon.
Das Shrike geht noch zwei Schritte, während für Sol und die anderen draußen weitere Stunden vergehen. Ich sehe Blut auf der Haut des schreienden Neugeborenen, wo die Skalpellfinger des Shrike ins Fleisch geschnitten haben.
Zum Teufel damit!
Draußen, auf den breiten Steinstufen der Sphinx lagen, inzwischen im Strudel der Zeitenergien gefangen, die durch das Grab wehen, Rucksäcke, Decken, weggeworfene Lebensmittelverpackungen und aller Abfall, den Sol und die Pilger dort zurückgelassen haben.
Einschließlich eines Möbiuskubus.
Die Box war an Bord des Baumschiffs Yggdrasil der Tempelritter mit einem Sperrfeld Klasse acht versiegelt worden, als die Stimme des Baums Het Masteen sich auf die lange Reise vorbereitet hatte. Sie enthielt einen einzigen Erg – manchmal auch Binder genannt –, eine der winzigen Kreaturen,
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