Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion
die Tüchtigkeit und bescheidene Art des jungen Marines –, und mir wurde klar, daß diese Zurückhaltung dem Stil des jungen Diplomaten entsprach.
Die Sonne ging auf, als wir vom Raumhafen starteten und Richtung Stadt schwebten. Die tiefhängenden Wolken, die von unten beleuchtet wurden, glommen hell, die Hügel im Norden erstrahlten hellgrün, violett und rostrot, und der Streifen Himmel unter den Wolken war so herzerfrischend grün und lapislazuli, wie ich ihn aus meinen Träumen in Erinnerung hatte.
Hyperion, dachte ich und spürte, wie Nervosität und Aufregung mir im Halse steckenblieben.
Ich lehnte den Kopf an den regennassen Baldachin und stellte fest, daß Schwindelgefühl und Verwirrung, die ich momentan empfand, teilweise auf schwächeren Hintergrundkontakt mit der Datensphäre zurückzuführen waren. Die Verbindung war noch vorhanden, mittlerweile verlief sie weitgehend über Mikrowelle und Fatlinekanäle, aber schwächer, als ich sie je erlebt hatte – wenn die Datensphäre ein Meer war, in dem ich schwamm, dann befand ich mich jetzt wahrhaftig in seichten Gewässern, vielleicht wäre ein Gezeitenbecken ein besserer Vergleich, und das Wasser wurde noch seichter, während wir die Gegend des Raumhafens mit seiner rudimentären Mikrosphäre verließen. Ich zwang mich, dem Gespräch Aufmerksamkeit zu schenken, das Hunt und Generalgouverneur Lane miteinander führten.
»Man kann die Hütten und Schuppen sehen«, sagte Lane, der den Gleiter leicht kippte, damit wir die Hügel und das Tal, die den Raumhafen von den Vororten der Hauptstadt trennten, besser sehen konnten.
Hütten und Schuppen war eine Schmeichelei für die klägliche Ansammlung von Fiberplastikplatten, Segeltuchplanen, Pappkartonstapeln und Schwebschaumkuppeln, die sich auf den Hügeln und tiefen Tälern ausgebreitet hatten. Die sicherlich einmal malerische, sieben bis acht Meilen lange Fahrstrecke von der Stadt zum Raumhafen, die durch bewaldete Hügel geführt hatte, bestand heute nur noch aus für Feuerholz und behelfsmäßige Unterkünfte abgeholztem Land, von Füßen zu Schlammlöchern getrampelten Wiesen und einer Stadt mit sieben- bis achthunderttausend Flüchtlingen, die sich über jedes sichtbare flache Stück Land ausgebreitet hatte. Rauch von tausend Feuerstellen stieg zum Himmel auf, und überall konnte ich rege Betriebsamkeit erkennen; barfüßige Kinder; Frauen, die Wasser aus Bächen holten, die schrecklich verschmutzt sein mußten; Männer, die sich auf freien Feldern niederkauerten oder vor behelfsmäßigen Latrinenhäuschen Schlange standen. Ich stellte fest, daß hohe Stacheldrahtzäune und violette Sperrfeldbarrieren auf beiden Straßenseiten errichtet worden waren, jede halbe Meile war ein militärischer Kontrollpunkt zu sehen. Lange Schlangen getarnter Bodenfahrzeuge und Gleiter von FORCE bewegten sich in beiden Richtungen auf der Straße und den untersten Flugebenen. »... die meisten Flüchtlinge sind Eingeborene«, sagte Generalgouyerneur Lane gerade, »aber wir haben auch Tausende enteignete Landbesitzer von den Städten im Süden und den großen Fiberplastikplantagen auf Aquila.«
»Sind sie hier, weil sie eine Invasion der Ousters befürchten?« fragte Hunt.
Theo Lane sah Gladstones Attaché an. »Eigentlich brach die Panik beim Gedanken aus, daß die Zeitgräber sich auftun könnten«, sagte er. »Die Menschen waren überzeugt, daß das Shrike sie holen würde.«
»Hat es sie geholt?« fragte ich.
Der junge Mann drehte sich auf dem Sitz, damit er mich ansehen konnte. »Die Dritte Legion des Heimatschutztrupps ist vor sieben Monaten nach Norden aufgebrochen«, sagte er. »Sie ist nicht zurückgekehrt.«
»Sie haben gesagt, anfangs sind sie vor dem Shrike geflohen«, sagte Hunt. »Warum sind die anderen gekommen?«
»Sie warten auf die Evakuierung«, sagte Lane. »Alle wissen, was die Ousters ... und die Truppen der Hegemonie ... auf Bressia angerichtet haben. Sie möchten nicht hier sein, wenn dasselbe mit Hyperion passiert.«
»Sie wissen, daß FORCE eine Evakuierung lediglich als allerletzte Verzweiflungsmaßnahme in Erwägung zieht?« sagte Hunt.
»Ja. Aber das geben wir den Flüchtlingen nicht bekannt. Es ist auch so schon zu blutigen Unruhen gekommen. Der Tempel des Shrike ist zerstört worden ... der Mob hat sie belagert, jemand nahm sie mit gebündelten Plasmaladungen unter Feuer, die in den Minen auf Ursus gestohlen wurden. Letzte Woche erfolgten Angriffe auf das Konsulat und den Raumhafen, und
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