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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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den Achseln. Seine Uniform sollte eindrucksvoll und königlich aussehen, aber er wirkte darin nur wie ein übergewichtiger Harlekin. »Ich bin der l-l-letzten Pilgergruppe gefolgt«, sagte er. »Und dann ka-ka-kam ich vom Chronos Keep herunter, um Sie zu besuchen. Ich sehe, dass Sie seit vielen Monaten nichts mehr geschrieben haben, M-M-Martin. Können Sie mir das erklären?«
    Ich verharrte in erbostem Schweigen, kam aber weiter auf ihn zu.
    »Vielleicht kann ich es erklären«, sagte König Billy. Er betrachtete die letzte vollendete Seite der Hyperionischen Gesänge , als könnte er dort die Antwort auf ein Rätsel finden, das ihn schon lange beschäftigte. »Die letzten Verse wurden letztes Jahr in der Woche geschrieben, als J. T. Telio verschwunden ist.«

    »Und?« Ich war inzwischen zum gegenüberliegenden Ende des Tischs gekommen. Ich heuchelte beiläufiges Verhalten, als ich einen kleinen Manuskriptstapel zu mir und damit aus Billys Reichweite zog.
    »Das w-w-war … laut Unterlagen der SST… der To-To-Todestag des letzten Di-Di-Dichters in der Stadt«, sagte er. »Außer Ihnen, Martin.«
    Ich zuckte mit den Achseln und kam um den Tisch. Ich musste zu Billy, ohne dass mir das Manuskript in die Quere kam.
    »Wissen Sie, Sie ha-ha-haben das Manuskript noch nicht beendet« , sagte er mit seiner tiefen, traurigen Stimme. »Es be-be-besteht immer noch eine Chance, da-da-dass die Menschheit den Sturz überlebt.«
    »Nein«, sagte ich und schlich näher.
    »Aber Sie können es nicht schreiben, richtig, Martin? Sie können dieses Ge-Ge-Gedicht nicht v-v-v-verfassen, wenn Ihre Muse k-k-kein Blut vergießt, oder?«
    »Dummes Zeug«, sagte ich.
    »Vielleicht. Aber ein faszinierender Zufall. Ha-haben Sie sich je gefragt, warum Sie verschont worden sind, Martin?«
    Ich zuckte wieder mit den Achseln und holte einen weiteren Manuskriptstapel aus seiner Reichweite. Ich war größer, kräftiger und gemeiner als Billy, aber ich musste sichergehen, dass dem Manuskript nichts passierte, falls er sich wehrte, wenn ich ihn aus dem Sessel zerrte und hinauswarf.
    »W-W-Wird Zeit, da-da-dass wir etwas ge-ge-gegen dieses Problem unternehmen«, sagte mein Mäzen.
    »Nein«, sagte ich, »es wird Zeit, dass Sie gehen!« Ich schob den letzten Stapel des Gedichts beiseite, hob die Arme und stellte verblüfft fest, dass ich in einer Hand einen Kerzenleuchter aus Messing hielt.
    »Bitte bleiben Sie stehen«, sagte König Billy leise und hob einen Stunner vom Schoß.

    Ich hielt nur für eine Sekunde inne. Dann lachte ich. »Sie kläglicher kleiner Schlappschwanz«, sagte ich. »Sie könnten die verdammte Waffe nicht einsetzen, selbst wenn Ihr Leben davon abhängen würde.« Ich ging einen Schritt weiter, um ihn zu verprügeln und hinauszuwerfen.
     
    Meine Wange drückte gegen den Steinboden des Innenhofs, aber ich hatte ein Auge so weit offen, dass ich die Sterne sehen konnte, die noch durch die gesplitterte Kuppel der Galerie schienen. Ich konnte nicht blinzeln. Stecknadelstiche wiederkehrender Empfindung kribbelten in meinen Gliedern und dem Oberkörper, als wäre mein ganzer Körper eingeschlafen und käme nun unter Schmerzen wieder zu sich. Ich wollte schreien, aber Kiefer und Zunge versagten mir den Dienst. Plötzlich wurde ich hochgehoben und an eine Steinbank gelehnt, sodass ich den Innenhof und den ausgetrockneten Springbrunnen sehen konnte, den Rithmet Corber entworfen hatte. Der Bronzelaokoon rang im flackernden Licht der Meteorschauer vor der Dämmerung mit Bronzeschlangen.
    »Tut mir l-l-leid, Martin«, sagte eine vertraute Stimme, »a-a-aber dieser Wahnsinn muss aufhören.« König Billy trat in mein Gesichtsfeld; er trug einen großen Stapel Manuskripte. Weitere Stapel lagen auf dem Sims des Brunnens unter dem trojanischen Pferd aus Metall. Daneben stand ein offener Eimer Petroleum.
    Es gelang mir zu blinzeln. Meine Lider bewegten sich wie rostiges Eisen.
    »Der Schock m-m-müsste jeden M-M-Moment aufhören«, sagte König Billy. Er griff in den Brunnen, hob einen Stapel Manuskriptseiten und zündete sie mit einem Taschenfeuerzeug an.
    »Nein!«, konnte ich zwischen zusammengebissenen Kiefern schreien.

    Die Flammen tanzten und erloschen. König Billy ließ die Asche in den Brunnen fallen, hob einen neuen Stapel Blätter und drehte sie zu einem Zylinder. Tränen glänzten auf runzligen Wangen im Feuerschein. »Sie haben es be-be-beschworen« , keuchte der kleine Mann. »Es muss ein E-E-Ende haben.«
    Ich bemühte mich

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